Die Egerer Hütte

Von Dr. Leonhard Buberl (Wien)

"Die feierliche Eröffnung der Egerer Hütte fand am 16. Juli 1907 statt.

Eine ansehnliche Gesellschaft hatte sich in und vor der neu erbauten Hütte versammelt. Neben den Mitgliedern der Sektion "Eger und Egerland" die Vertreter der verschiedenen Sektionen des Alpenvereins, ein Chorus wackerer Bergsteiger und Alpenfreunde von nah und fern – auch das schöne Geschlecht fehlte nicht! – und zahlreiche Egerländer Heimatgenossen, die nicht nur aus dem Egerland, sondern auch aus den fernsten Gauen des Reiches zu diesem Fest nach Tirol gekommen waren. Konnten doch zwei graubärtige Herren, die einst zu Eger im Gymnasium gemeinsam auf einer Schulbank gesessen und seit ihrer Studentenzeit durch das Leben getrennt worden waren, hier in der Egerer Hütte unerwartet ein fröhliches Wiedersehen feiern!

Der Dechant von Cortina vollzog unter geistlicher Assistenz die kirchliche Weihe des neuen Hauses. Der Obmann der Egerer Sektion, Dr. Hans Lauterer, sprach als Bauherr über die Bedeutung und die Aufgaben der neu entstandenen gastfreundlichen Stätte weihevolle Worte, die von den Abgesandten der alpinen Vereine mit herzlichen Wünschen erwidert wurden. Dr. Franz Bittner überbrachte einen sanges- und bergfrohen Gruß vom Egerer Sängerbund, und Dr. Andreas Kempf vom Egerländer Verein in Wien gab als Vertreter der heimatlichen Mundart in humorvoller Rede seinen landsmannschaftlichen Segen.

Es war einer jenen festlichen, ungetrübt sonnigen Tage, deren Erinnerung man nicht gerne missen möchte. Seither steht die Egerer Hütte, von Eger aus verwaltet, im fernen Lande, eine Expositur des Egerlands an der Grenze gegen Welschland. Als eine willkommene Zufluchtsstätte in unwirtlicher Hochgebirgsgegend hat sie schon vielen Alpenwanderern erquickende Rast und erfrischende Labung gegeben.

Schon im zweiten Jahr ihres Bestands, vom 20. Juni bis zum 30. September 1908 – während dieser Frist ist die Hütte offen und bewirtschaftet – wurde sie von 562 Personen aufgesucht, von denen 261 über Nacht blieben. Diese stattliche Besuchszahl ist ein erfreulicher Beweis dafür, daß die Sektion "Eger und Egerland" mit ihrer Arbeit am richtigen Punkt eingesetzt und sich durch ihre Schöpfung den Dank der Bergfahrer verdient hat.

Die Hütte, ein gefälliger, einstöckiger Bau, aus dem an Ort und Stelle gebrochenen Kalkstein aufgeführt und mit Schiefer gedeckt, liegt in den Pragser Dolomiten in einer Höhe von 2350m, zwischen der Hohen Gaisl, die als gewaltiges, schöngegliedertes Massiv über Schluderbach herrscht, und dem Seekofel, dessen imposante, mit Schnee garnierte Nordwand in furchtbarer Steilheit zum Pragses Wildsee abstürzt."

Quelle: "Unser Egerland" Jahrg. 1910, Nr. 7 u. 8, S. 84/85

Die damaligen, auch von Buberl beschriebenen Wege zur Egerer Hütte, die heute Seekofelhütte heißt, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von Italien entschädigungslos enteignet worden war und heute dem italienischen Alpenverein gehört, werden noch heute begangen:

 

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