Begleittext zur "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" 1950
Edith Bergler, Bayreuth

Die Charta der ca. 13 Millionen Vertriebenen, die Flucht und Vertreibung überlebt haben, ist als gesamtdeutsches und überkonfessionell christliches Wort verfaßt worden, da die großen Heimatkirchen der Vertriebenen zu ihrer Entstehung entscheidend beitrugen, denn sie waren durch das bis 1949 geltende außerkirchliche Koalitionsverbot die einzigen Organisationen, in denen sich Vertriebene treffen konnten.

Die Charta ist ein außerordentlich wichtiges Dokument des Friedens und der Menschlichkeit, der internationale Bedeutung zukommt.

Mit der Charta gingen die deutschen Heimatvertriebenen den ersten großen Schritt auf dem Weg zur Versöhnung zwischen den Deutschen und ihren östlichen Nachbarn.

Die Charta bekennt sich zur Gewaltlosigkeit, jedoch nicht mit der Vorwegnahme eines endgültigen Verlustes des deutschen Ostens im Sinne einer bedingungslosen Kapitulation, sondern mit der Bereitschaft, ggf. die politischen Konsequenzen der bedingungslosen Friedenssicherung zu tragen. Damit ist die Charta bahnbrechend für die spätere Friedenspolitik der Versöhnung geworden.

Die Vertriebenen bezeichnen die Charta als ihr Grundgesetz, nach dem sie bis heute handeln, denn der Verzicht auf Rache und Vergeltung ist nicht nur aus der Lage der damaligen Ohnmacht zu verstehen. Er ist beibehalten worden, als die Bundesrepublik wieder zu einer respektierten wirtschaftlichen und politischen Macht aufgestiegen war, und gilt weiter nach der Vereinigung der Bundesrepublik mit der Deutschen Demokratischen Republik.

Die Vertriebenen versprechen in der Charta, "unermüdlich" am Wiederaufbau Deutschlands und Europas teilzunehmen. Diesem Versprechen sind sie absolut gerecht geworden.

Die Vertriebenen beharren in der Charta auf dem Recht auf die Heimat. Damit fordern sie ein fundamentales Recht aller Völker auf die angestammte Heimat ein. Gewaltpolitiker, egal aus welchem Land, hatten nicht das Recht und werden auch künftig nicht das Recht haben, Bevölkerungen zu vertreiben und sich deren Land und Besitz anzueignen.

Vertreibungen und "ethnische Säuberungen" sind völkerrechtswidrig und können auch durch vorangegangenes Unrecht nicht gerechtfertigt werden. Sie sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Quellen: Hans-Walter Krumwiede, in: "Die Bedeutung und Verantwortung der Vertriebenen von der Charta 1950 über die <Ostdenkschrift> und die Synode <Vertreibung und Versöhnung> 1965/66 bis zur Gegenwart", Ostkirchentagung der EKD 1993.