Die Egerer Stadtrechte des Jahres 1279
aus

Siegl, Karl: "Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten", Eger 1931:

... Nach zwölfjähriger Trennung kehrte also Eger wieder zum Reiche zurück und am 7. Juni 1279 bestätigte König Rudolf den Egerern, "welche unter seine und des Römischen Reiches milde Herrschaft wieder zurückgekehrt waren", alle Freiheiten, die sie von früheren Herrschern empfangen hatten. In achtundzwanzig Artikeln enthält diese Urkunde eine Aufzählung der wichtigsten, bisher ungeschriebenen Egerer Stadtrechte. "Nach dem Beispiele von Eger", wie es in dem betreffenden Urkunden heißt, wurde dann später Egerer Recht auch mehreren Städten Nordwestböhmens, auch Städten in Bayern verliehen (in Böhmen: Elbogen, Karlsbad, Falkenau, Luditz, der Markt Schönbach; in Bayern: Wunsiedel und Bärnau).

Die (lateinische) Urkunde lautet übersetzt:

"Wir Rudolph von Gottes Gnaden Römischer König zu allen Zeiten. Die Majestät des Thrones wird um so erhabener und zum Heile der Untertanen befestigter, je mehr Wohlwollen auf sie herabströmt und ihnen sowohl Entgegenkommen bei Übung der Gerechtigkeit, als Freigebigkeit bei Gunstbezeigungen bewiesen wird. Es wird zu jedermanns Kenntnis für die Gegenwart als für die Zukunft kundgemacht, daß wir mit besonderem Wohlgefallen wahrgenommen haben, wie unsere lieben, treuen Bürger von Eger aus Anhänglichkeit und angeborener Treue an unsere Person und das Reich und im Eifer für die christkatholische Religion und in aufrichtiger Ergebenheit ausharrend, sich wieder unserer und des Römischen Reiches milder Herrschaft unterworfen haben. In dieser Erkenntnis wollen wir auch huldreichst zu ihrem Nutz und Frommen die gesamten Gnaden, Privilegien, Freiheiten und Rechte, welche ihnen von den unsterblichen Römischen Kaisern, Königen, Herzogen und anderen Fürsten des Reiches gnädigst verliehen und eingeräumt worden sind, kraft dieses gegenwärtigen Diploms und aus königlicher Milde bestätigen, welchen bestätigten Gnaden und Freiheiten wir noch folgende hinzufügen:

(1.) Zum ersten setzen wir fest, daß jeder, welcher auswandern will, frei und ungenötigt, und ohne daß ihm oder seiner Habe ein Hindernis in den Weg gelegt werde, sicher abziehen könne. Auch sollen ihm seine Güter, welche er in der Stadt und innerhalb der egerischen Grenzen besitzt, ungehindert überlassen werden.

(2.) Dieser Artikel läßt sich wörtlich schwer wiedergeben. Der Sinn ist der: Belehnungen mit kaiserlichen Lehen, im Falle einer Resignation der Lehensträgers, durch das Stadtgericht sollen dieselbe Gültigkeit haben, als wenn die Belehnung durch den Kaiser selbst erfolgt wäre.

(3.) Alle Lehen, welche von uns oder vom Reiche herrühren, vererben sich sowohl auf Söhne als Töchter und Blutsverwandte.

(4.) Kein Auswärtiger kann einen Bürger wegen eines Zweikampfes vor ein anderes Gericht fordern, sondern die Bürger sollen das Recht haben, jenen Auswärtigen deshalb nachdrücklichst zu belangen.

(5.) Kein Richter soll einen berufenen Bürger gefangen nehmen, außer bei Lebensgefahr.

(6.) Wenn jemand wegen eines Mordes oder einer tödlichen Verwundung angeklagt, nicht auf frischer Tat ergriffen worden ist, so soll er, wenn er mit sieben berufenen Männern seine Unschuld bewiesen haben wird, nicht weiter verfolgt werden.

(7.) Wer immer verursacht, daß ein anderer vor das Siebenmännergericht sich stellen müsse, dieser Kläger soll zuerst schwören, daß er an dem Schuldigen keine Willkür ausüben wolle.

(8.) Wer bei einem Totschlag ergriffen worden sein wird und diesen nicht in Abrede stellt, von dessen Vermögen verbleibt der dritte Teil seinem Weibe, die übrigen zwei Teile fallen dem Richter zu, die er solange nicht angreifen oder beschören darf, als er wahrnimmt, daß man auf eine angemessene billige Ausgleichung bedacht und diese im Zuge sei.

(9.) Für jede Wunde, wodurch ein Glied des Körpers verstümmelt wird, müssen dem Verwundeten fünf Talente und dem Richter drei Talente bezahlt werden.

(10.) Für eine jede leichte Wunde sollen dem Verwundeten sechs Solidi, dem Richter ein halbes Talent und jedem der Ratsherren zwölf Denare bezahlt werden.

(11.) Von jeder Klage, die wegen eines Totschlages oder einer Verwundung nicht geltend gemacht worden ist, reinigt der Beklagte sich mit einem Eide. Wird er aber überwiesen, so hat er dem Hauswirte oder der beschädigten Hauswirtin zweiundsiebzig, dem Diener oder der Magd sechsunddreißig, dem Richter aber sechzig Denare zu bezahlen.

(12.) Für jede Widerspenstigkeit in Gegenwart des Richters wird, wenn diese von Freitag nachmittags angefangen bis zur Abendzeit des Sabbats verübt worden ist, diese Strafe verdoppelt.

(13.) Wer einem anderen in seinem Hause widerrechtlich Gewalt antut, zahlt dem Richter zehn Solidi, im Hause und außer dem Hause; wenn er ihn aber im Hause oder außerhalb desselben verfolgt, so zahlt er zweiundsiebzig Denare, und wenn er bei der Untersuchung die Tat leugnet, so liegt ihm ob, seine Unschuld mit sieben Zeugen zu beweisen.

(14.) Gegen einen berufenen bewährten Mann kann einer allein keinen Beweis erbringen, wodurch jener an seiner Ehre oder seinem Körper Schaden leiden sollte.

(15.) Wenn der Landrichter Gericht hält, so soll zuerst über die Mönche und dann erst über die Bürger geurteilt werden.

(16.) Welcher Höriger eines Herrn sich in die Stadt begibt, diesem soll sein Herr an seinem Eigentume nichts entfremden, solange er in der Stadt zu bleiben gedenkt.

(17.) Wer sich in die Stadt in der Absicht begibt, um hier zu bleiben, und sich auch durch ein Jahr aufhält, der kann nicht verpflichtet werden, Herrendienste zu leisten.

(18.) Welcher Bürger einen fremden Edlen oder Ministerialen oder wessen Standes immer an was immer für einem Ort vor seinem Richter belangt, dort soll er auch hierüber Rede und Antwort geben; wenn er aber gegen den Bürger selbst eine Widerklage eingebracht haben würde, so soll der Bürger nur vor dem Stadtrichter Rede und Antwort zu geben gehalten werden, außer er wollte es vie lleicht freiwillig tun, oder wenn der Streit wegen Lehensgütern entstanden wäre.

(19.) Wo immer ein Bürger einen Schuldner belangt, ausgenommen in der Kirche, Badstube oder im Wirtshause, so soll der Richter diese Schuldsache entscheiden, sobald der Kläger durch Bürgen oder auf welche Art immer Sicherheit geleistet hat.

(20.) Jeder Bürger, dem von einem auswärtigen Edlen, Ministerialen, Vasallen oder geringeren Ranges ein Pfand übergeben wurde, der kann es ohne Bewilligung des Richters auch in Besitz nehmen und wie sein Eigentum gebrauchen.

(21.) Alle in der Stadt vorkommenden Rechtshändel sollen bei dem Stadtgerichte verhandelt werden, es wäre denn, daß einige besondere Fälle zwischen Edlen, Ministerialen und auswärtigen Edlen in Beratung gezogen würden.

(22.) Das Holz zu notwendigen Gebäuden kann in unseren Forsten ohne Einmischung der Förster gefällt werden.

(23.) Wer immer mit seinem Wagen auf der Landstraße ankommt, den soll kein Förster wegen Pfändung desselben aufhalten.

(24.) Wer Flößholz aus unserem Forst wegführt, zahlt sechs Denare über jede schon bestimmte Satzung.

(25.) Gäste (das sind Jahrmarktsbesucher von auswärts) dürfen kein Tuch zum Verkaufe ausschneiden, noch Getränke maßweise oder unter den Reifen ausschenken, es wäre denn, daß zu Eger Hoftage (Herrentage) abgehalten würden.

(26.) Ein Gast darf von dem andern sich nicht unterfangen, weniger als hundert Stück rohe Fuchs-, Hasenfelle oder andere was immer für Felle in gleicher Zahl und ein Quartel (Viertel einer Haut) Leder zu kaufen. Und wer dawider handelt, soll ein halbes Talent dem Stadtgericht zahlen.

(27.) Aus besonderer Huld wollen wir auch unsere erwähnten Bürger dahin begünstigen, daß sie ihre, wie immer Namen habenden Waren durch Länder und Distrikte unseres Reichs maut- und zollfrei und ohne jede Auflage verführen können.

(28.) Außerdem wollen wir aus königlicher Huld die ihnen von Römischen Kaisern und Königen und anderen Fürsten immer verliehenen Belehnungen, die sie gültig und rechtsbeständig besitzen, bestätigen, erneuern und mit diesem Diplom bekräftigen. Es ist also niemandem gestattet, diesem unsern Bestätigungs-, Vergleichungs- und Erneuerungsbrief weder Abbruch zu tun, ihn zu schwächen oder demselben aus einem unbedachtsamen Wagnisse zuwider zu handeln. Wer es aber wagen sollte, der möge wissen, daß er in die schwere Ungnade unserer Majestät verfallen würde. Zur Urkund und steten Bekräftigung haben wir gegenwärtige Urkunde aufsetzen und mit unserem Majestätssiegel versehen lassen. Geben zu Wien, den 13. Juni 1279, unseres Reichs aber des sechsten.

(Anmerkung: Grüner "Beiträge zur Geschichte der Stadt Eger", Prag 1843, übersetzt "cives nominati" in den Artikeln 4, 5 und 14 zweimal mit "unbescholtene" und einmal mit "tadellose" Bürger; Drivok "Ältere Geschichte der deutschen Reichsstadt Eger und des Reichsgebietes Egerland", Leipzig 1875, mit "namhafte" Bürger. Gradl dagegen erblickt in den "cives nominate", und wohl mit Recht, die "berufenen, gewählten" Gemeindemitglieder, die späteren "Sechsundreißiger".)