Der Egerländer Landtag (1872 – 2005)

Landsmannschaftliche Studentenverbindung
der Egerer und Egerländer Studentenschaft in Prag

(überkonfessionell, pflichtschlagend, farbentragend)

von Edith Bergler, Bayreuth

 

 

1872

Am 9. Februar wurde der Egerländer Landtag in Prag als überkonfessionelle Tischgesellschaft nach dem Wiener Vorbild gegründet.

14. Mai: Beschluß der Gründung des HUASNOATOUDARA-Ordens (HO)

Dieser sollte denjenigen verliehen werden, die sich besondere Verdienste um den EL erworben haben.

Kleiner HO mit dem Titel: "Ritter von..."

Großer HO mit dem Titel: "Fürst von..."

1874

16. Oktober: Beschluß über die Mitgliedschaft im Egerländer Landtag

Aus landsmannschaftlichen Gründen kann nur ein Hochschüler Mitglied sein, der

  1. in Eger oder dessen nächster Umgebung seine Heimat hat
  2. in Eger studiert und absolviert hat

Der Wahlspruch der Verbindung lautete: Freundschaft – Ehre – Vaterland

1885

22. Januar: Einführung des Titels "Alter Herr":

Mitgliedern des EL, die mindestens vier Semester aktiv waren, wurde nach dem Erreichen des Absolutoriums oder eines akademischen Grades der Titel "Alter Herr" verliehen.

2. Februar: Einführung der unbedingten Satisfaktion

Der Beschluß lautete:

"Wenn ein Mitglied des EL gefordert wird, so hat es die Forderung unbedingt anzunehmen. Wird seine oder des Landtags Ehre in irgendeiner Weise angegriffen, so ist es verpflichtet, zu fordern."

1894

16. Juni: Stimmenzahlen beim Aufnahmeverfahren neuer Mitglieder

Erforderlich waren:

Für Bewerber aus dem engeren Egerland: 2/3;

für Bewerber aus dem weiteren Egerland: ¾;

für Bewerber, die mindestens vier Semester in Eger studierten (d. h., zwei Jahre das Gymnasium besucht hatten): Stimmeneinheit;

1897

Beginn des Farbentragens:

Der Egerländer Landtag wählte sich die Farben der Stadt Eger: Schwarz – Silber – Purpurrot.

Diese wurden von der tschechischen Statthalterei in Prag nicht zugelassen. Daher entschloß man sich am 18. Oktober zu anderen Farben, die am 9. November bewilligt wurden.

Das Band: Dunkelgrün – Silber – Rot

Die Mütze: Rot

30. November: Organisierte Ausschreitungen des tschechischen Pöbels gegen deutsche Studentenwohnungen und Vereinslokale in Prag.

"Der EL hatte für die regelrechte Verteidigung seiner Bude gesorgt. Mit Säbeln, Eisenstangen und Stöcken bewaffnet, durch Paukhauben gegen Steinwürfe geschützt, erwarteten die Landtägler den tschechischen Mob, der auch kam. Als die feige Meute aber sah, daß sie hier kämpfen müßte, räumte sie mit Wutgeschrei das Feld. Sie kamen aber gegen 3 Uhr früh zurück, als ihre Späher den Abzug der Landtägler gemeldet hatten. Als die ersten Steine in die Scheiben flogen, trieb die zurückgelassene Wache die Angreifer mit einigen Revolverschüssen auseinander. Am nächsten Tag wurde das wertvolle Inventar unter militärischem Schutz ins Carolinum gebracht."

Der Grund der Ausschreitungen war der am 29. 11. 1897 gelungene Sturz der deutschfeindlichen Regierung Badeni durch deutschnationale Kräfte im österreichischen Reichstag.

1903

Gründung des Altherren-Verbandes

Damit sollte der Aktivitas in Prag ein moralischer und materieller Rückhalt geschaffen werden.

1909

Es entstand das Freundschaftsbündnis mit der Verbindung "Baltia" (Breslau).

1910

Das Freundschaftsbündnis mit der Verbindung "Normannia" (Marburg) wurde geschlossen.

24. November: Einführung des Titels "Landsmannschaft"

Die Annahme des Titels "Landsmannschaft" beruhte darauf, daß die Mitglieder des EL ausschließlich aus Eger und dem Egerland stammten.

1912

1. September: Weihe der ersten Fahne im Hof der Kaiserburg in Eger

1917

Seit diesem Jahr erschienen regelmäßig "Mitteilungen" des Egerländer Landtags, der Baltia, der Normannia sowie der Sedinia und ihrer Altherrenverbände, die die Fühlung untereinander aufrechterhielten.

Der Egerländer Landtag hatte 196 Mitglieder.

1914 – 1918

Im Ersten Weltkrieg fielen 19 Bundesbrüder

1918

28. Oktober: Gründung der Tschechoslowakei

Die Eingliederung der Sudetengebiete in den erstmals entstandenen tschechoslowakischen Staat erfolgte gegen den Willen der deutsch-böhmischen Bevölkerung und war eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das der amerikanische Präsident Woodrow Wilson vor dem Ende des Ersten Weltkriegs verkündet hatte.

Sämtliche Veranstaltungen der Korporationen unterlagen scharfen Kontrollen der tschechischen Behörden.

Die beiden deutschen Hochschulen in Prag wurden in jeder Hinsicht benachteiligt, ihr Betrieb wurde eingeengt und durch das neue Universitätsgesetz weiter beschnitten.

Diese Maßnahme führte 1920 zu der fruchtlosen Forderung der Deutschen, die beiden deutschen Hochschulen in das deutsche Sprachgebiet zu verlegen.

1920

Zusammenschluß der säbelschlagenden Verbindungen zum "Ring wehrhafter Verbindungen und Vereine"

Diesem Zusammenschluß gehörten an: Egerländer Landtag, PUS Barden, HV Franken, VdmH Grube, VdST Oppavia, VdSt Daxonia, AtL Hochwald, Ferialverbindungen Libertas und Miesa.

Der Zusammenschluß war die Reaktion auf das sprunghafte Anwachsen der Zahl ungarischer Juden in den Prager Hochschulen, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Ungarn vom Besuch der Budapester Universität ausgeschlossen wurden.

16. November:

Der tschechische Mob zog zum Deutschen Theater, zum Deutschen Haus, zum deutschen Studentenheim und zu den deutschen Zeitungen "Bohemia" und "Prager Tagblatt", um die Einrichtungen zu zerstören. Er verwüstete die Bude des Egerländer Landtags im "Deutschen Handwerker", zerschlug die Möbel und warf sie auf die Straße. Die Wichsen konnten gerettet werden.

Gegen Abend besetzten die Massen die Deutsche Technische Hochschule und das Carolinum, hißten tschechische Fahnen und zertrümmerten sämtliche Anschlagtafeln und Aushängekästen der deutschen Korporationen.

1921

Es folgte das Freundschaftsbündnis mit der Verbindung "Sedinia" (Berlin).

1922

9. Februar: Gründungskommers des 100-semestrigen Stiftungsfestes im Spiegelsaal des Deutschen Hauses in Prag.

5.-8. August: Festtage in Eger:

Begrüßungsabend, Festsitzung im Gemeindesaal, Festkommers und Festball im Schützenhaus, Frühschoppen am "Sprung", Flußpartie im Egertal.

Besondere Bedeutung hatte die Enthüllung des Gedenksteins für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Bundesbrüder auf dem Bismarckhügel. Das Denkmal wurde nach einem Entwurf des AH Fritz Albert vom Egerer Bildhauer Karl Wilfert gefertigt.

Die Aktivitas umfaßte 38 Mitglieder, der Altherren-Verband 150.

1924

15. März: Einführung der Verabredungsmensur nach 2/3 Stimmenmehrheit

1927

Pfingsten: Aufnahme des Egerländer Landtags in die "Deutsche Landsmannschaft"(Sitz in Coburg)

1938

Am 26. März beschloß der Altherrenverband (AHV) die Stillegung der Aktivitas infolge der politischen Verhältnisse bis auf weiteres. Über den AHV selbst lagen keine Beschlüsse vor.

12. Juli

Unter dem Druck der politischen Entwicklung legten die sudetendeutschen Korporationen während einer Feierstunde in der Gedenkhalle in Eger (ehemalige Kirche der Klarissinnen) ihre Farben ab.

Seit diesem Tag gab es offizell keinen Egerländer Landtag mehr.

Die Bude in der Smetschkagasse wurde aufgelöst, das Couleur-Eigentum nach Eger geschafft und dort eingelagert (nach Kriegsende von Tschechen vernichtet). Für die noch in Prag anwesenden Bundesbrüder wurde in der Gaststätte des "Deutschen Handwerkervereins" ein Stammtisch aufrechterhalten.

1940

Der AHV versandte am 8. März folgendes Rundschreiben:

"Aufgrund der Verordnung über die Auflösung, Überleitung und Eingliederung von Organisationen in den sudetendeutschen Gebieten vom 22. Oktober 1938 hat der Stillhaltekommissar für Organisationen im Einverständnis mit dem Gauleiter Konrad Henlein lt. Bescheid vom 9. 9. 39 VI 82-8173, der mir am 23. 9. 39 zugestellt wurde, angeordnet, daß unser AHV gelöscht und sein Vermögen in den NS-Altherrenbund deutscher Studenten, München, eingewiesen wird."

1945

29 Bundesbrüder fielen im Zweiten Weltkrieg, gelten als vermißt, wurden Opfer von Tschechen oder starben an Kriegsfolgen.

9 Bundesbrüder starben bei der Vertreibung.

1949

Am 10. Dezember wurde auf einer Versammlung in Marktredwitz die Neukonstituierung des AHV beschlossen.

1950

11. Februar: Die erste Altherrenversammlung beschloß in München die Reaktivierung des Altherrenverbands (31 Bundesbrüder).

13. Juli: Gründung einer Aktivitas (sechs Studierende) mit Sitz in München.

Als Rekrutierungsgebiet wurden das Sudetenland, Oberfranken und die Oberpfalz festgelegt.

1951

Anschluß des Egerländer Landtags an den zu Pfingsten erstandenen "Coburger Convent" (CC) als Nachfolgeverband der früheren Deutschen Landsmannschaft

1954

21. Februar: Gründung des "Studentenhilfswerks Nordgau"

Da die Aktivitas dringend eine Bude brauchte, wurde ein Hausbauverein ins Leben gerufen, der mit dem Namen "Studentenhilfswerk Nordgau" ins Vereinsregister eingetragen wurde.

1955

16. Juli: Von der Altherren-Hauptversammlung wurde für die Rekrutierung der Aktivitas folgender Beschluß gefaßt:

Als aktive Mitglieder des Egerländer Landtags können aufgenommen werden:

15. September: Kauf des Grundstücks in München Adalbertstraße 41, auf dem der EL ein eigenes Heim erhalten soll. Der vordere Teil des Grundstücks wurde gewinnbringend verkauft.

1957

25. Juli: Grundsteinlegung des Hauses

1. November: Bezug der ersten Zimmer

15. Dezember: Das Haus wurde seiner Bestimmung übergeben.

1968

4. Mai: Übergabe der zweiten Fahne an die Aktivitas

Unter Zugrundelegung des vorhandenen Entwurfs der ersten Fahne entstand die neue Fahne.

1972

12. Februar:

Die Altherren-Versammlung nahm zur Kenntnis, daß die Verbindungs–Verbände Österreich, Regensburg, Südost, Hannover, Rheinland und Würzburg wegen zu geringer Mitgliederzahl nicht mehr funktionsfähig waren. Die Verbindungs-Verbände München, Augsburg, Frankfurt, Bayreuth und Nürnberg wurden beibehalten.

8.–11. Juni: 100jähriges Stiftungsfest in Bayreuth:

"Damit hat der EL die ersten 100 Jahre seines Bestehens abgeschlossen – trotz widriger Umstände, die in den letzten Jahrzehnten nicht wenig an der Substanz zehrten, den Stamm aber noch nicht erschüttern konnten. Dieser Stamm ist der Wille, den Egerländer Landtag weiterzuführen. Das Ziel kann erreicht werden, wenn jeder Bundesbruder nach folgendem Leitsatz handelt:

Eine Korporation gedeiht nur dann, wenn Zucht, Ordnung und Disziplin sich mit jugendlichem Eifer und Überzeugungskraft paaren, und wenn der Altherren–Verband mit voller Kraft hinter den Jungen steht."

1990

Im November fusionierte die Verbindung mit der Alten Prager Landsmannschaft Oppavia.

Seit diesem Zusammenschluß erscheinen beide Verbindungen unter der neuen Bezeichnung:

"Alte Prager Landsmannschaft Egerländer Landtag et Oppavia".

Der neue Wahlspruch lautet: Freundschaft – Ehre – Freiheit – Vaterland

1998

Der Aktivbetrieb wurde eingestellt.

In der Blütezeit nach dem 2. Weltkrieg hatte der Egerländer Landtag ca. 200 Mitglieder.

Heute besteht die Verbindung noch aus 103 Alten Herren.

Die Zimmer im Haus Adalbertstr. 41 werden an Studenten vermietet.

Quellen:

Landsmannschaft Egerländer Landtag (Hg.): 1872 – 1972 Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Alten Prager Landsmannschaft Egerländer Landtag im CC zu München; München 1972;

Persönliche Gespräche

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