Die Badenischen Sprachenverordnungen 1897 und ihre Auswirkung in Eger

Edith Bergler, Bayreuth

 

Im Umbruchsjahr 1848 sollten die Länder, die bisher zum Deutschen Bund gehörten, in einem Deutschen Reich vereinigt werden. Daher wurde im Mai in Frankfurt a.M. das deutsche Parlament eröffnet. Es sollte eine deutsche Verfassung formulieren, durch die auch Böhmen und Mähren Teil eines demokratischen Deutschen Reichs werden sollten.

František Palacký, der geistige Vater der tschechischen Nationalpartei, verweigerte "als ein Böhme slawischen Stammes" seine Mitarbeit in der Deutschen Nationalversammlung (11. April 1848), weil er die Eingliederung Böhmens und Mährens in das Deutsche Reich ablehnte.

Palacký strebte zu dieser Zeit eine Reorganisation der Habsburger Monarchie "in einen Bund von gleichberechtigten Völkern" an. Hier sollten die österreichischen Slawen folglich die gleichen Rechte wie Deutsche und Ungarn haben.

Daher veranstaltete er im Juni 1848 als Protest gegen Frankfurt den ersten Slawenkongreß in Prag, bei dem auch der russische Anarchist Michail Bakunin anwesend war.

Ein Teil der Eingeladenen war mit der von Palacký angestrebten Gleichberechtigung der Slawen nicht einverstanden, sondern verlangte deren Vorherrschaft.

Bevor ein Beschluß zustande kam, endete der Slawenkongreß mit dem Prager antideutschen Pfingstaufstand, bei dem von den Barrikaden der Ruf "Hej slovane" erscholl und Lieder wie "Vertilgt den Deutschen, den Fremdländer" zu hören waren.

Danach war klar, daß es in Böhmen von nun an zwei getrennte Nationalgesellschaften geben würde, die an die Stelle des Bohemismus, der alten übernationalen Einheit, traten.

Tschechische Nationalisten nannten die Deutsch-Böhmen nun "Eindringlinge" und "Kolonisten" und drohten ihnen an, sie aus dem Land zu jagen, sobald sie sich dem Streben nach tschechischer Eigenstaatlichkeit entgegenstellen sollten.

Offensichtlich wollten sie nicht mehr wahrhaben, daß die Deutschen vom 12. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts von den Přemysliden-Herrschern ins Land gebeten worden waren und den Teil Böhmens kultiviert hatten, in dem sie lebten. Daher konnten sie sich auf ein historisch begründetes Heimatrecht berufen.

Schon am 17. März 1848 schrieb Karel Havliček Borovský, ein Protegé Palackýs und Herausgeber des "Národní Noviny" in Prag, in Böhmen, Mähren und Österreich-Schlesien müsse den Tschechen von allem nicht die Hälfte zustehen, sondern sie müßten Vorrang haben.

Joseph Jakob Jungmann, der tschechische Sprachwissenschaftler, benannte sogar das Tschechische als alleinige Nationalsprache.

Die Tschechen verlangten nun im Kaiserreich Österreich-Ungarn:

Außerdem forderten sie:

Unter dem ungeheuren Druck der Tschechen erließ der polnische Graf Kazimir Felix Badeni (in der österreichischen Regierung Innenminister und Ministerpräsident), dessen Herz für die Forderungen der slawischen Brüder schlug, am 5. April 1897 für Böhmen und am 22. April 1897 für Mähren die nach ihm benannten Badenischen Sprachenverordnungen.

Diese lösten in der österreichischen Hälfte der österreich-ungarischen Monarchie eine schwere Staatskrise aus und trieben den Nationalitätenkampf zwischen Tschechen und Deutsch-Böhmen in seine entscheidende Phase.

Die Badenischen Sprachenverordnungen schrieben vor:

  1. Der Schriftverkehr sämtlicher Behörden mußte in der Sprache abgefaßt werden, in der die Eingabe vorgenommen worden war.
  2. Ab 1. Juli 1901 war für die Anstellung von Beamtenanwärtern die Zweisprachigkeit Vorbedingung.

Böhmen bestand aber dem Volkstum nach aus einem geschlossenen deutschen und einem geschlossenen tschechischen Siedlungsgebiet. Daher erregten beide Verordnungen die Wut der Bewohner Deutsch-Böhmens, denn beides bedeutete die Einführung der Doppelsprachigkeit in den rein deutschen Siedlungsgebieten des böhmischen Königreichs, die systematische Tschechisierung Deutsch-Böhmens und die Verdrängung deutsch-böhmischer Beamter.

Im Jahr 1890 wohnten in Eger 18.658 Einwohner, von denen 73 Tschechen (Militär) in den österreichischen Kasernen der Stadt waren. Der Anteil der Tschechen an der Gesamtbevölkerung betrug folglich 0,39%.

Im Jahr 1900 war die Einwohnerzahl Egers auf 23.582 angewachsen. Der Anteil der Tschechen betrug 0,67% der Gesamtbevölkerung, nämlich 158 tschechische Soldaten.

Trotz dieses minimalen tschechischen Bevölkerungsanteils, der aus nicht ansässigen Bewohnern bestand, konnte nun nach der 1. Verordnung ein einziger in einem deutschen Bezirk wohnender Tscheche die Durchführung einer Gerichtsverhandlung in tschechischer Sprache fordern. Die deutschsprachigen Juristen und Zeugen hatten sich einen Dolmetscher zu nehmen.

Es war offensichtlich, daß diese Anordnungen kein gleichberechtigtes Nebeneinander der beiden in Böhmen lebenden Volksgruppen zum Ziel hatten, sondern die systematische Unterdrückung und Tschechisierung der Deutsch-Böhmen. Diese hatten aber den Teil Böhmens, in dem sie lebten, ohne tschechische Mitwirkung kultiviert.

Einen Monat nach dem Erlaß der Badenischen Sprachenverordnungen wollte Anfang Mai 1897 im Egerer Kreisgericht ein extra aus Klattau (heute Klatovy) angereister zweisprachiger tschechischer Anwalt seinen Einspruch in tschechischer Sprache diktieren. Dagegen erhob der Egerer Anwalt Einspruch. Er verwies auf die 1. Badenische Sprachenverordnung, nach der in bürgerlichen Streitigkeiten das Protokoll in der Sprache der Klage geführen werden mußte. In diesem Fall war es die deutsche Sprache.

Obwohl der Egerer Anwalt im Recht war, entschied das Oberlandesgericht in Prag, das wegen der Starrköpfigkeit des Klattauer Anwalts befragt werden mußte, gegen die Verordnung und für die tschechische Sprache.

Nach Inkrafttreten der Badeni-Verordnungen ging eine Welle der Entrüstung durch Deutsch-Böhmen, aber auch durch alle Schichten der Deutschsprachigen in ganz Österreich und weit darüber hinaus, denn die Tschechen waren unter dem Schutz des österreichischen Staates zum Angriff gegen das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet vorgegangen und versuchten, auch durch das Verdrängen deutscher Beamter die Tschechisierung Böhmens voranzutreiben.

Aus diesem Grund überreichten im böhmischen Landtag drei Parteien Dringlichkeitsanträge zur Eröffnung einer Ministeranklage gegen das Kabinett Badeni.

Die deutschböhmischen Abgeordneten des Reichsrats wollten in Böhmen die Bevölkerung bei Kundgebungen über die Maßnahmen der Regierung aufklären und forderten die Gemeinden auf, bis zur Aufhebung der Sprachenverordnung zu streiken. Jedoch wurden diese Versammlungen überall verboten.

Danach kam es zu Massenkundgebungen in Eger, Reichenberg und Teplitz, zu einer Solidarisierung der angrenzenden Reichsgebiete und zu Massenprotesten in Graz und Wien.

Im Reichsrat in Wien spielten sich Handgreiflichkeiten zwischen den Abgeordneten ab.

Daher verfügte Kaiser Franz Josef I. am 28. November 1897 die Schließung des Parlaments und die Entlassung Badenis.

Anfang Dezember 1897 antworteten die Tschechen darauf mit einem antideutschen wie antisemitischen Pogrom in Prag, bei dem die Gewalttätigkeiten und Plünderungen der Geschäfte nur durch das Ausrufen des Ausnahmezustands in der Stadt gestoppt werden konnten.

Am 5. März 1898 wurden die Verordnungen Badenis durch zusätzliche Regelungen gemildert.

Es wurden deutsche, tschechische sowie gemischtsprachige Verwaltungsgebiete eingerichtet, in denen die Beamten die dort erforderliche Sprache beherrschen mußten.

 

Literatur:

Glotz, Peter: Die Vertreibung, München 2003

Hoensch, Jörg K. : Geschichte Böhmens, München 1992

Schreiner, Lorenz (Hg.): Heimatkreis Eger, Amberg 1997

Sturm, Heribert: Eger – Geschichte einer Reichstadt, Augsburg 1951

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