Ueber den officiellen Titel der Stadt Eger.
aus

Kürschner: Eger und Böhmen
Die staatsrechtlichen Verhältnisse in ihrer historischen Entwicklung.

Wien 1870
Seite 205

Wie in staatsrechtlichen Dingen die Form überhaupt eine hervorragende Rolle spielt, so konnte es mit der Zeit nicht fehlen, daß unter den verschiedenen Beschwerden der Egerer einmal auch die Titelfrage Gegenstand einer Controverse in der Hofkanzlei wurde. Einige Bemerkungen darüber dürften hier am Platze sein.

Daß der reichsstädtische Charakter Egers auch nach der Verpfändung an Böhmen beharrlich festgehalten wurde, lag in der Natur der Verhältnisse und ist im Laufe der vorliegenden Untersuchungen mehrfach hervorgehoben worden. Demgemäß wurden die Bürger von Eger in ihren von den deutschen Königen und Kaisern herrührenden Privilegien und Rescripten, deren Ausfertigung also in der Reichskanzlei erfolgte, gleich denen der übrigen Reichsstädte "Unsere und des Reiches liebe Getreue" genannt, während die von den böhmischen Königen als solchen erlassenen und durch die böhmische Hofkanzlei ausgestellten Diplome und Actenstücke naturgemäß an "Unsere liebe Getreue" schlechthin lauten. Hingegen wird in verschiedenen Zuschriften deutscher Fürsten und Städte noch im XVI. Jahrhundert Eger geradezu als Reichsstadt bezeichnet.

Mit der Zeit schwand aber die Aussicht auf eine Wiedereinlösung Egers zum Reiche immer mehr dahin, zumal seitdem die deutschen Kaiser aus dem Hause Habsburg zugleich Könige von Böhmen waren. Bei den vielfachen Versuchen, Eger in ein engeres Verhältniß zu Böhmen zu bringen und von den böhmischen Landtagsbeschlüssen abhängig zu machen, gewöhnte man sich in der böhmischen Hofkanzlei schon in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts daran, Eger als ein der Krone Böhmen "auf ewig versetztes Pfand" und somit als königlich böhmische Stadt zu betrachten. Hieraus erklärt sich denn auch, daß in nicht offiziellen Schriftstücken, zumal nach dem Westphälischen Frieden, sich die Bezeichnung "Königliche Stadt" nach und nach einschleicht, so z. B. auf der Adresse einer Zuschrift der Universität Nürnberg (Altdorf) vom Jahre 1653, der Kur-Mainzischen Kammerräthe aus derselben Zeit, u. dgl. Als man aber auch in der böhmischen Hofkanzlei Miene machte, in officiellen Acten Eger ausdrücklich als königlich Stadt zu bezeichnen, da sträubten sich die Egerer dagegen, indem sie sich auf ihre Privilegien beriefen und so ihren reichsstädtischen Charakter geltend machten.

Interessant ist in dieser Hinsicht die Haltung der Egerer Stadtverordneten im Jahre 1687 in Wien. In ihrem Berichte an Bürgermeister und Rath melden sie mit sichtlicher Befriedigung, daß der Secretär der k. böhmischen Hofkanzlei, Herr von Tam, bei dem sie am 27. Juni zu Tische geladen waren, unter anderem "der sämmtlichen Herren Bürgermeister und des Raths der N. B. kaiserlichen Stadt Eger Gesundheit getrunken". Dagegen mußten sie es ruhig hinnehmen, als der Vicekanzler, Graf von Thurn, Eger ein königliche Stadt nannte, weil sie durch ihren Widerspruch seine Rede hätten unterbrechen müssen, was die "Ererbietsamkeit dermalen nicht wohl zuließ". Als die Abgeordneten aber ein kaiserliches Decret zu Gesicht bekamen, worin Eger als "königliche Stadt" benannt war, beschwerte sich einer von ihnen bei dem Secretär von Koschinsky, indem er vorstellte, daß eine solche officielle Bezeichnung für die Stadt leicht nachtheilige Folgen haben könnte. Der Secretär erwiderte, er bekenne gern, daß in den Formalien der Expedition ein Fehler unterlaufen sei, und sehe wohl, daß "der Esel der Kanzellist (der das Schriftstück auszufertigen hatte) die dießorts üblichen Curalien nicht innen habe", er könne es ihnen daher nicht verdenken, daß sie dagegen Einsprache erheben. Hierauf nahm er eine Feder und strich das Wort "königlich" eigenhändig aus.

In den Rescripten Josephs I. wurde Eger stets als die zur Krone Böhmen "pfandschillingsweis gediehene" Stadt bezeichnet. Unter Karl VI. wurde zur endlichen Einverleibung des Egerlandes der entscheidende Schritt gethan, indem die Egerer trotz aller Gegenvorstellungen verhalten wurden, in Gemeinschaft mit den übrigen königlichen Städten Böhmens die Huldigung zu leisten. Hiemit entfiel auch die kaiserliche Bestätigung der Privilegien der Reichskanzlei, und seit dieser Zeit führt Eger den Titel einer "königlichen Stadt".

Anmerkungen:
1: Die Orthographie des 1870 gedruckten Buches wurde belassen.
2: Verpfändung Egers an Johann von Böhmen-Luxemburg: 1322.
3: Westfälischer Friede: 1648.
4: Joseph I., 1705 - 1711 (geb. 1678).
5: Karl VI., 1711 - 1740 (geb. 1865, Bruder Joseph I.).