Die Egerländer Gedenkhalle
Edith Bergler, Bayreuth

 

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1914-1918) gehörte das Egerland zum Staatsgebiet Österreich-Ungarns.

Daher kämpften die Egerländer in diesem Krieg als österreichische Soldaten. Sie dienten entweder im Egerländer Hausregiment Inf. Reg. Nr. 73, das seit 1860 in Eger stationiert war, oder im Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 6.

Die österreichisch-ungarische Heeresleitung setzte die Egerländer Regimenter dort ein, wo die Kämpfe besonders hart tobten (1914 in Serbien, 1915 in den Karpathen, in den Isonzo-Schlachten, in den "Sieben Gemeinden" und am Piave). Daher war die Zahl der Gefallenen außerordentlich hoch.

Für den ehemaligen Wehrbezirk Eger, der einen Großteil des Egerländer Sprachgebiets mit einer rein deutsch-böhmischen Bevölkerungszahl von 529.419 Einwohnern umfaßte, wurden die Kriegsopfer genau berechnet.

20.178 Egerländer, darunter 40 Glieder der Gemeinde der evangelischen Friedenskirche in Eger, waren im Krieg gefallen. Das waren 3,81% der Gesamtbevölkerung oder 35,4% der zum Kriegsdienst eingezogenen Egerländer.

Nicht nur die Kampfstätten sprechen für den gezielten Einsatz der Egerländer an besonderen Brennpunkten, sondern auch die Tatsache, daß von der östereichisch-ungarischen Gesamtbevölkerung nur 2,50% oder 23,5% aller Kriegteilnehmer gefallen sind.

Österreich verlor diesen Krieg und bezahlte mit dem Verlust mehrerer Gebiete. Auf diese Weise entstand nach Kriegsende aus den ehemals österreichischen Landesteilen Böhmen, Mähren und Sudeten-Schlesien die erstmals gegründete Tschechoslowakei (28. Oktober 1918).

Die deutsch-böhmischen Bewohner dieser Landesteile waren gegen ihren Willen in den tschechoslowakischen Staat gezwungen worden und wurden von den Tschechen von Anbeginn als nicht gleichwertige Minderheit behandelt, obwohl sie das zweitstärkste Staatsvolk waren.

Gleiches geschah den deutsch-böhmischen Gefallenen. Diese wurden vom tschechischen Staatsvolk völlig übergangen, denn für tschechoslowakische Behörden zählten nur Gefallene, die ihrer Ethnie nach Tschechen waren. Daher umgab die gefallenen Egerländer in ihrer Heimat eine verständliche glorifizierende Trauer.

Um die würdige Ehrung aller gefallenen Egerländer voranzutreiben, gründete sich in Eger nach Kriegsende ein Ausschuß, der sich 1930 zum "Egerländer Gedenkhallenverein" erweiterte.

Die Stadt kaufte 1923 den gesamten Komplex des 1782 aufgelassenen St. Klaraklosters am Franziskanerplatz in Eger und stellte die ehemalige Kirche der Klarissinnen, die seit 1782 weltlichen Zwecken gedient hatte, dem Gedenkhallenverein zur Verfügung.

Die Restaurierung dieses Dientzenhoferbaus wurde vom Staatsdenkmalamt unterstützt. Reichliche Spenden der Stadtgemeinde Eger, der ehemaligen Kriegsteilnehmer, der Geldinstitute der Stadt, von Jugendverbänden (Wandervogel, Quickborn, Staffelstein) und von Vereinen ermöglichten den zügigen Fortgang der Renovierungsarbeiten.

Im Herbst 1926 beriet die Jury des "Metznerbundes deutscher Kunstschaffender in der Tschechoslowakei" über die eingereichten 18 Entwürfe für die Innengestaltung der Gedenkhalle. Den Wettbewerb gewannen der akademische Maler Franz Gruß aus Graslitz und Architekt Heinrich Scherer aus Eger.

Nach ihrem Entwurf sollten im Kirchenschiff zwei große Steinsarkophage aufgestellt werden, an deren Wänden die Namen aller gefallenen Egerländer, nach Bezirken und Gemeinden geordnet, auf ehernen Tafeln verewigt werden sollten. Die Stirnseite des Kirchenraums sollte mit einem großen Fresko ausgeschmückt werden.

Mit dem Einbau der Steinsarkophage wurde sofort begonnen. Als diese standen, wurde jährlich in der Gedenkhalle eine Totenehrung abgehalten. Der Bund der Kriegsverletzten hatte am 29. Oktober 1933 Pfarrer Hugo Gerstberger von der evangelischen Friedenskirche als Redner ausgewählt.

Am 11. August 1935, als sämtliche Namenstafeln angebracht waren, weihte Dechant Leopold Wallner die Gedenkhalle.

Die ergreifende Feier war auch eine Demonstration der Liebe zum Deutschtum auf tschechoslowakischem Boden. Daher wurde sie von den Tschechen als Provokation empfunden.

Nach sehr langen Vorbereitungsarbeiten konnte Franz Gruß im Frühling 1937 mit der Ausführung seines Freskos beginnen. Gruß, selbst Kriegsteilnehmer und ab 1915 russischer Kriegsgefangener, gestaltete ein Wandbild, das nicht nur ein Denkmal für alle gefallenen Egerländer, sondern zugleich ein persönliches Bekenntnis wurde.

Der tiefere Sinn des in Grau-, Blau- und Grüntönen gehalteten klaren Freskos war die Bejahung des Lebens trotz aller Schrecknisse des Krieges.

Zur Vervollständigung der künstlerischen Ausgestaltung der Gedenkhalle wollte man durch Fresken an den Wänden beider Längsseiten des Raums eine Überleitung von den barocken Architekturformen zu dem bewußt modern gestalteten Hauptbild in der ehemaligen Altarnische schaffen. Doch als das Vorhaben noch nicht einmal beendet war, begann 1939 der Zweite Weltkrieg.

Nach der Kapitulation Deutschlands (8. Mai 1945) zerstörten Tschechen den Innenraum der Egerländer Gedenkhalle.

Sie wurde zur Sammelstelle deutscher Bücher, die Tschechen aus Privatbesitz, Buchhandlungen, der Bibliothek etc. abtransportierten. Schließlich war der große Raum bis zur Decke mit deutschen Büchern gefüllt. Möglicherweise sind sie verbrannt worden, denn Augenzeugen berichteten, daß tschechische Teerbereitungsmaschinen mit deutschen Büchern beheizt wurden.

Heute wird die ehemalige Egerländer Gedenkhalle als Konzert- und Ausstellungssaal verwendet.

Mein Vorschlag, bei der Stadtverwaltung des heutigen tschechischen Cheb neben dem Eingang der heutigen Konzerthalle das Anbringen einer Gedenktafel anzuregen, die an die 20.178 gefallenen Egerländer des Ersten Weltkriegs erinnert, wurde vom Vorstand des Egerer Landtags nicht aufgenommen.

Literatur:

Sturm Heribert: Eger – Geschichte einer Reichsstadt (Bilderband), Augsburg 1952

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