Hermann Stock
Überblick über die Geschichte der Stadt Eger und des Egerlandes
Inhaltsverzeichnis:
Die frühe Zeit
Die Stauferzeit
Die Verpfändung des Egerlandes
Die Gefährdung der Selbständigkeit des Egerlandes
Die Reformation
Der Dreißigjährige Krieg
Die Zeit des Absolutismus
Das 19. Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg - Gründung der Tschecho-Slowakei
Die 1. Republik
Das Abkommen von München
Das Egerland im Deutschen Reich
Literatur
Zuerst auf einen Blick:
Eger liegt ungefähr am 50ten Breitengrad - an dem gleichen wie im Westen Frankfurt und im Osten Prag und Kiew - und östlich des 12. Grades östl. Länge.
Es wurde 1061 erstmals urkundlich erwähnt.
Diepold III., der Markgraf des Nordgaues, erbaute (an der Stelle einer ursprünglich slawischen Anlage) die Egerer Burg als Verwaltungsmittelpunkt der regio Egere.
Unter den Stauferkaisern (1138 - 1268) erlebt die regio Egere ihre politische Blütezeit, da ihr eine bedeutende Stelle in der dynastischen Reichspolitik zukam. Die Egerer Burg wurde ausgebaut, um den Aufgaben einer Pfalz entsprechen zu könnnen.
1322 verpfändete Ludwig der Bayer das Egerland an den Böhmenkönig Johann von Luxemburg, wobei aber Eger die Rechte einer Reichsstadt erhalten blieben. Diese Verpfändung wurde nie mehr rückgängig gemacht. So blieb Eger beim Königreich Böhmen, wurde schließlich ein Teil des Habsburger Vielvölkerstaates bis zu dessen Zerschlagung 1918.
Wallenstein, der bedeutende kaiserliche Feldherr des Dreißigjährigen Krieges, wurde 1634 in Eger ermordet. Friedrich Schiller (1759 - 1805) schrieb über dessen Schicksal eine Dramen-Trilogie. Wahrscheinlich war Schiller 1791 aus Anlaß seines Kuraufenthaltes in Karlsbad auch in Eger.
Häufig war Goethe (1749 - 1832) in der Stadt, die er regelmäßig besuchte, wenn er zur Kur nach Karlsbad oder Marienbad fuhr. Er war befreundet mit dem egrischen Rat Grüner, mit dem er die nähere und weitere Umgebung erkundete, vor allem auch den Kammerbühl, ein Hügel vulkanischen Ursprungs zwischen Eger und Franzensbad gelegen, dessen Entstehung zu damaliger in wissenschaftlichen Kreisen heftig diskutiert wurde.
Der Barock-Baumeister Balthasar Neumann wurde 1687 in Eger geboren und war vor allem im Gebiet des heutigen Bayern tätig.
Bis 1808 gehörte das Egerland zum Bistum Regensburg, wurde dann Prag zugeteilt.
1918/19 nach dem Ersten Weltkrieg kam das Egerland gegen den Willen der Bevölkerung zur neugebildeten Tschechoslowakei.
Im sog. Münchner Abkommen im September 1938 zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland erhielt dieses die von Deutschen besiedelten (Rand-) Gebiete der Tschechoslowakei und somit auch das Egerland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die deutsche und ungarische Bevölkerung der ehemaligen Tschechoslowakei entrechtet und vertrieben.
Damit hatte Eger und das Egerland seine eigenständige Kultur und seinen deutschen Charakter verloren. Eine neue - aber völlig andere - Ära Cheb begann.
Folgendes zur Vertiefung:
Die frühe Zeit
Die Region Eger bildete von Anfang an ein zusammenhängendes Gebiet vom Kern des Fichtelgebirges bis an den Ostrand des Egerer Beckens und lag so vor einem der natürlichen Eingangstore nach Böhmen. In der ursprünglichen Ausdehnung bildete das Gebiet annähernd ein gleichschenkeliges Dreieck, dessen Grundlinie gut 60 km lang war und als eine gerade Linie vom Ursprungsberg westlich von Graslitz längs der Leibitsch zum Tillenberg und Entenbühl verlief und zugleich die Grenze zum benachbarten Böhmen bildete. Die beiden Schenkel des Dreiecks trafen sich zwischen Ochsenkopf und Schneeberg im Zentrum des Fichtelgebirges.
Die älteste verläßliche Nachricht über kolonisatorische Unternehmungen in unmittelbarer Nähe des Egerer Beckens enthält eine Königsurkunde vom Jahre 1061, in der auch Eger - damals wohl eine kleine Furtsiedlung - zum ersten Male genannt wird (nur 11 Jahre später als Nürnberg!). Zugleich wird ein Weg erwähnt, der eine wichtige Handelsstraße werden sollte von Nürnberg über Redwitz in das Egertal nach Prag. Diese Furtsiedlung wird sicher nicht erst im 11. Jahrhundert entstanden sein, denn man kann aus der bezeugten Handelsbeziehung zwischen Franken und den Slawen Böhmens im ersten Drittel des 7. Jahrhunderts folgern, daß das Egerer Becken und vor allem die Egerer Furt bedeutend waren. Erst in einer Urkunde von 1135 wird deutlich, daß dieses Gebiet unter der Verwaltung der nordgauischen Markgrafen stand; gleichzeitig wird dieser Bezirk als regio Egere bezeichnet.
Die Stauferzeit
Die von Diepold III., Markgraf des Nordgaues, - an der Stelle einer ehemals slawischen Ansiedlung - erbaute Egerer Burg wurde bald zum Verwaltungsmittelpunkt des Landes. 1146, nach dem Tode Diepolds, unterstellte der Stauferkönig Konrad III. das dem Reich heimgefallene Territorium der Reichsgewalt, das zu einem Stützpfeiler der staufischen Territorialpolitik wird. Vor allem Friedrich I. versuchte, den unmittelbaren Kronbesitz zu sammeln und zu erweitern, um den auf Grund des Lehensbesitzes immer stärker und selbständiger werdenden Territorialherren etwas entgegensetzen zu könnnen. So wurde auch die regio Egere nicht lehensweise, sondern durch Reichsministeriale verwaltet. Das Egerer Gebiet eignete sich für diese Politik besonders gut, da es zum Teil noch nicht erschlossen und nicht in dynastische Interessen eingebunden war. So wird es zum Verbindungsglied der staufischen Hausgüter in Schwaben und Franken mit den thüringischen und zu Böhmen. Zudem trennte dieses Reichsland Bayern und Sachsen, die Hausgüter der Welfen, deren sich die Staufer mühsam erwehren mußten, da diese ihnen an Besitz und damit potentieller politischer Macht weit überlegen waren. Für die verwaltungsmäßige Gestaltung des Egerer Gebietes war das Pleißner Land, das mit dem Reichsgut Altenburg vereinigt wurde, beispielgebend. Friedrich I. Barbrossa (1152 - 1191) und sein Sohn Heinrich VI. bauten es nun zur terra imperii, zur provincia Egrensis aus. An ihrer Spitze stand ein kaiserlicher Landrichter, der judex provincialis. "So stellt das Reichsland Eger zweifellos die vollendetste Form der von Barbarossa geplanten Reichsländer dar, die geeignet sein konnten, einmal die Grundeinheit eines nach klaren Gesichtspunkten geordneten deutschen Staates zu sein." (Bosl). Durch die Zunahme von Ministerialiensitzen wurde der interne Landesausbau im 12. und 13. Jahrhundert vorangetrieben, aber ebenso nahm der Hauptort seinen Aufschwung. Allmählich unterschieden sich die älteren und grundbesitzreicheren Ministerialen in Rang und Geltung von jenen anderen, die erst zu Besitz kamen. Beide Standesgruppen bildeten mit dem Landrichter (judex provincialis) an der Spitze die verfassungsrechtlichen Träger der königlichen Hoheitsrechte im Reichsland Eger, zu denen alsbald auch um die Wende zum 13. Jahrhundert eine civitas und dann 1277 eine civitas imperii (= Reichsstadt) genannte Königsstadt Eger hinzukam, die dank der verkehrsgünstigen Lage am Kreuzungspunkt der Straßen von Nürnberg, Regensburg, Plauen und Prag und des Schutzes der Burg sich zu einem urbanen Gemeinwesen entfalten konnte. Eine eigenständige städtische Verwaltung bildete sich im wesentlichen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aus, wobei das Stadtrecht von Nürnberg zur Rechtsgrundlage der Verfassung der Stadt gemacht wurde.
Die Bedeutung der Egerer "Kaiserburg" für die weitgespannten Pläne der staufischen Territorialpolitik ist schon daraus ersichtlich, daß die alte Burg beträchtlich umgebaut und erweitert wurde, damit sie auch für repräsentative Zwecke einer "Pfalz" geeignet war. So waren die Staufer selbst nicht nur häufig in Eger (Barbarossa urkundlich bezeugt 3 Aufenthalte; sein Sohn Heinrich mehrmals seit 1189 und feierte fast jährlich das Weihnachtsfest in Eger; Philipp mind. viermal, ebenso Friedrich II.; dessen Sohn Heinrich achtmal; Konrad IV. zweimal und schließlich Konradin 1259. Nachweise im einzelnen in Gradl Heinrich: Monumenta Egrana; im übrigen im Ausstellungskatalog "Die Zeit der Staufer", Bd. 4, 1977.), sondern hier fanden auch Hoftage und Fürstenzusammenkünfte statt, bei denen wichtige Reichsangelegenheiten verhandelt und entschieden wurden.
Während der "Stauferzeit" war - wie oben ausgeführt - das Egerland ein bedeutendes Gebiet in der staufischen Territorialpolitik. Vor allem in der Zeit des Interregnums (1254 - 1273) wurde die Einheit und der territoriale Bestand des Reichslandes Eger von außen her bedroht; von Norden durch den Markgrafen von Meißen, von Westen durch den Burggrafen von Nürnberg, im Osten durch den Böhmenkönig Přemysl Ottokar II., der sich auch zwischen 1269 und 1277 dominus Egre nennen konnte und den reichsministerialen Judex provincialis durch einen böhmischen Burggrafen ersetzte. Nach dem Tode Ottokars wurde die Reichsverwaltung mit dem Judex provincialis wieder hergestellt und Eger war wieder ein Reichsland, dem 1279 König Rudolf alle Rechte und Freiheiten bestätigte, die Eger jemals besessen hatte.
Während die Reichsstadt Eger im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts sowohl nach Innen als auch nach Außen eine bedeutende eigenständige Stellung einnahm, wurde sie mit dem Egerer Territorium zunehmend ein Objekt des politischen Schachers. Durch zwei eheliche Verbindungen der Přemysliden mit den Habsburgern steigerte sich die Möglichkeit für Böhmen, Eger und das Egerland zu gewinnen, da jetzt keine starke Reichsmacht mehr dahinter stand.
Die Verpfändung des Egerlandes
Nach dem Aussterben der Přemysliden im Mannesstamme wurde 1310 Johann von Luxemburg mit Böhmen belehnt. In den folgenden Thronauseinandersetzungen im Reich spielten die Luxemburger eine entscheidende Rolle. In dem Streit mit Friedrich den Schönen versicherte sich Ludwig der Bayer die Unterstützung Johanns mit dem Versprechen, diesem Stadt und Land Eger sowie die Reichsburgen Floß und Parkstein als Pfand zu überlassen. Das schon 1315 gegebene Versprechen wurde schließlich mit einer am 4. Oktober 1322 in Regensburg ausgestellten Urkunde realisiert. Das Rücklösungsversprechen konnte von Ludwig dem Bayer infolge der veränderten politischen Lage nicht mehr eingelöst werden. Der Sohn König Johanns, Kaiser Karl IV., wandelte die persönlich an Johann gegebene Pfandschaft in eine an die Krone Böhmens. Die Verpfändung von Stadt und Land Eger war ein bedeutsamer Einschnitt in der Gesamtentwicklung des aus der nordgauischen Region Eger erwachsenen staufischen Egerlandes.
Die Verpfändung des Egerlandes an den Böhmenkönig Johann von Luxemburg erfolgte nach Absprache mit der für das Egerer Territorium maßgebenden Reichsstadt Eger. Die Forderung Egers nach Unabhängigkeit des Pfandlandes vom Königreich Böhmen während der Pfandschaft wurde in der am 23. Oktober 1322 in Prag ausgestellten Urkunde voll und ganz berücksichtigt. Im einzelnen wurde festgelegt, daß alle überkommenen Rechte, Freiheiten und Gewohnheiten, der Status einer Reichsstadt auch in Zukunft ohne Beeinträchtigung gelten. Das Gebiet insgesamt sollte erhalten bleiben und nichts davon an Böhmen abgetrennt werden; die Organe des Königreiches Böhmen dürfen sich in die Rechte des Pfandlandes nicht einmischen; es darf weder eine böhmische Königssteuer noch die allgemeine Landessteuer gefordert werden; auch sollte Eger nicht dem obersten Landesbeamten in Böhmen zugeordnet sein. Die Juden, die in Böhmen dem dortigen Kammergericht unterstanden, bleiben dem Pfandland zugeordnet. Auch wird zugesichert, daß Eger nicht weiter verpfändet wird. "Durch die ihrem Inhalte nach als ein staatsrechtlicher Vertrag zu wertende Urkunde war die Stellung Egers als ein eigenständiges und verfassungsrechtlich vom Königreich Böhmen unabhängiges Reichsland statuiert" (Sturm: Districtus Egranus, S. 72).
Gefährdung der Selbständigkeit des Egerlandes
Der Rat der Stadt Eger, auf dem seit der Verpfändung alle hoheitlichen Funktionen des ehemaligen Reichslandes - die Selbständigkeit im Gerichtswesen,der Heerbann, die Steuer- und Finanzhoheit, das Münzrecht und andere Rechte eines autonomen Territoriums - übergegangen waren, wurde durch die lange Dauer der Verpfändung allmählich in die Defensive gedrängt, zumal nicht nur die von Kaiser Ludwig dem Bayern im Jahre 1336 angestrebte Rücklösung des Pfandlandes zum Reich ohne Erfolg geblieben ist, sondern vor allem im 15. Jahrhundert ständig Gebietsverluste im Westen und Norden den territorialen Umfang des Egerer Landes einengten. So strebte auch Böhmen immer mehr danach, dieses Gebiet mit seiner wirtschaftlich emporgeblühten einstigen Reichsstadt Eger vollständig in Besitz zu nehmen. Etwa seit dem Ende des 15. Jahrhunderts und insbesondere, als die Habsburger Böhmen als Kronland dauernd gewannen (1526), ist bei vielfältigen Gelegenheiten zu beobachten, daß eine Rechtsminderung Egers eintrat und eine Einbeziehung des Pfandlandes in das Königreich Böhmen mit größerem Nachdruck und zunehmend erkennbaren planmäßigen Vorsatz verfolgt wurde. Diese Bestrebungen ließen es den Egerern ratsam erscheinen, die Landesregierung ständisch (wie die böhmische) zu organisieren. Dabei zeigte der egerländische Adel ähnliche Tendenzen zu größerer Selbständigkeit wie die Standesgenossen im benachbarten Böhmen. Aber der Rat der Stadt vermochte nach wie vor seine Auffassung , daß Stadt und Land ein thum seien, also etwas Gemeinsames, so daß alle Beschlüsse, die das Pfandland betrafen, gemeinschaftlich gefaßt werden müßten. So entstand der "Egerer Landtag", dessen Anfänge bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückzuverfolgen sind. Im 16. Jahrhundert kam zu der vom Stadtmagistrat und Adel repräsentierten Vertretung des Pfandlandes Eger als dritter Stand die Geistlichkeit hinzu; seither wurde der Egerer Landtag auch als die drei Egerer Ständ bezeichnet.
Die Reformation
Der Kampf der Egerer um ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Böhmen verquickte sich in tragischer Weise mit dem Hauptanliegen der Zeit, mit der Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Reformismus. Gemäß reichsstädtischer Tradition bekannten sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts Stadt und Land Eger zum evangelisch-lutherischen Glauben. Als 1609 Rudolf II. den Majestätsbrief erließ, der den böhmischen Ständen weitgehende Religionsfreiheit zusicherte, verlangten die Egerer dasselbe für sich. Doch wurden die Egerer mit ihrem Anliegen abgewiesen mit der Begründung, daß Eger "außerhalb dem lande gelegen und nur desselben pfandschilling sei." Doch die 1627 für Böhmen erlassene "Verneuerte Landesordnung" leitete u.a. nachdrücklich die Gegenreformation ein. Diese Verordnung sollte nunmehr auch für Eger Geltung haben, doch wurde sie hier mit der Begründung abgelehnt, " daß die stadt an den böhmischen rechten nicht participirt, weder in privatis noch in publicis." Trotzdem ernannte der Kaiser, der zugleich als König von Böhmen für das Pfandland Eger der Nachfolger des Pfandnehmers und Pfandgebers in einer Person war, eine eigene Reformationskommission, die im August 1628 in Eger ihre Tätigkeit aufnahm und als erstes die Entlassung der evangelischen Geistlichen verfügte. Die um des Glaubens willen in das Exil gezogenen Egerer, von Wolf Adam Pachelbel angeführt, verfolgten das Ziel, durch Bereinigung des Pfandschaftsverhältnisses eine Restituierung (= Wiederherstellung) des reichsstädtischen Charakters von Eger zu erreichen, weil sie nur darin die Möglichkeit einer freien Religionsausübung in Eger und für eine Rückkehr dorthin sahen.
Der Dreißigjährige Krieg
Gleich zu Beginn der Zwanzigerjahre des 17. Jahrhunderts begannen sich die unmittelbaren Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) abzuzeichnen, obwohl Eger während der böhmischen Rebellion und auch gegenüber dem Winterkönig Friedrich von der Pfalz (Führer der protestantischen Union im Reich, 1919 von den prot. Ständen Böhmens zum böhm. König gewählt) mit politischem Geschick eine streng neutrale Haltung einnahm. Dafür erhielt Eger am 23. Mai 1623 eine Urkunde ausgestellt, kraft derer den Egerern "dasjenige, worin sie in zeit gewester rebellion den sachen zu viel gethan oder zu weit gegangen sein möchten," verziehen wurde. Diese Generalamnestie für nichtbegangene Verfehlungen kostete die beträchtliche Summe von 10 000 Gulden. Wegen seiner Lage am nordwestlichen Eingangstor nach Böhmen war es unausweichlich, daß Stadt und Land während der drei Jahrzehnte des Kriegsgeschehens immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eger wurde ein Stützpunkt für die Kriegsrüstung und ein Sammelplatz der kaiserlichen Truppen. Albrecht von Wallenstein bestimmte noch als Obrist im Jahre 1622 Eger zum Waffenlager für die Aufrüstung seiner Kontigente. Dessen Ermordung im Jahre 1634 in Eger ist wohl das bekannteste historische Datum die Stadt betreffend. Schließlich am 5. Dezember 1640 schrieben die Egerer an Kaiser Ferdinand III.: "Ein Stein könnte sich erbarmen, was wir schon alles erlitten und ausgestanden haben, ein Drittel der Stadt ist abgebrannt, nur rudera (Trümmer) sind vorhanden, noch liegen die drei Vorstädte in Aschen. Kaum hundert angesessene Bürger sind noch hier, täglich verlassen andere die Stadt. Die Dorfschaften sind verödet, acht in Brand gesteckt. Was Bürger und Bauer am Leibe tragen, ist ihr einzig Hab und Gut, alles ist am Bettelsack gebracht. Um der heiligen, bluttriefenden fünf Wunden Christi willen, bitten wir Eure Majestät, uns von weiteren Gräueln zu verschonen."
Die im Exil verbliebenen Egerer strebten - wie oben schon erwähnt - nach Wiederherstellung des reichsstädtischen Charakters von Eger. Im Jahre 1645 richteten sie ein Memorandum an den Kaiser, des Inhalts, die stadt Eger in ecclesiasticis et politicis in vorigen stand völlig wiederum restituieren zu lassen, zumal Eger 1641 auf dem Reichstag in Regensburg ohne sein Zutun den zu restituierenden Reichsgliedern zugezählt worden sei. Weiter schlugen sie vor, daß die Pfandschaft Eger sich selbst auslösen dürfe. Sie fanden zwar Rückhalt bei den protestantischen Reichsständen und den Städten, die kaiserlichen Abgesandten vertraten jedoch in der Egerer Frage allein die habsburgische Hausmachtpolitik und setzten sich damit in Widerspruch zu den Reichsinteressen. Die Stadt Eger selbst, mittlerweile überwiegend katholisch, war für die Interessen der protestantischen Exilanten keine Hilfe. Sie bemühte sich zwar, wieder in die Reichsmatrikel aufgenommen zu werden, aber auch dagegen sperrten sich die Kaiserlichen. Die prostestantischen Reichsstände gaben schließlich in der Frage der Stellung Egers nach, da sie sonst den Abschluß des langwierig ausgehandelten Friedensvertrages gefährdet hätten.
Der Westfälische Friede brachte für Eger nun die Einsicht, daß der generationenlange Kampf um Wiedereinlösung zum Reich vergeblich war; da nun mit der Habsburger Dynastie Pfandnehmer und Pfandgeber vereinigt waren, überwogen die Interessen des Pfandnehmers. Umso nachdrücklicher setzte die Statthalterei in Prag ihre Bemühungen fort, Stadt und Land Eger in eine enge Verbindung zu Böhmen zu bringen.
Die Zeit des Absolutismus
Als sich der fürstliche Absolutismus, der alle Rechte und Pflichten des Staates in der Hand des Monarchen vereinte, sich auch in den habsburgischen Ländern als neue Staatsform durchsetzte, vor allem durch die Reformen Maria Theresias, waren die Stände, nicht nur des Pfandlandes Eger, zu einer bedeutungslosen Einrichtung geworden und von jeder staatlichen Mitwirkung ausgeschlossen. Was den Böhmischen Ständen trotz langer und rücksichtsloser Bemühungen nicht restlos geglückt war, erreichte auf dem Verwaltungswege der Zentralismus der Habsburger und wandelte auch das Königreich Böhmen in eine der vielen Provinzen ohne staatliche Eigenschaft und Selbständigkeit um. Konsequent ließ sich Josef II. gar nicht mehr zum König von Böhmen krönen.
Reformen Kaiser Josef II. auf kirchlichem Gebiet waren für Eger ebenfalls von einschneidender Bedeutung, vor allem daß die tausend Jahre alte Bindung an das Bistum Regensburg 1787 durch kaiserliches Dekret gelöst wurde und Eger nun Prag angegliedert werden sollte, was nach zwanzig Jahre dauernden Bemühungen der Vatikan auch 1808 bewilligte.
Währendessen hatte sich die Auflösung des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vollzogen; 1806 entsagte Kaiser Franz Josef II. der Würde des Reiches und nahm den Titel eines Kaisers von Österreich an. Damit wurden große Gebiete, die dem deutschen Reichsrecht unterstanden, zu einem neuen souveränen Staat vereinigt. Die Reichspfandschaft Eger hätte nun in das Eigentum des Königreichs Böhmen überführt werden können, aber auch die Krone Böhmen hatte aufgehört, ein Rechtssubjekt zu sein und war nicht mehr zu selbständigem politischem Handeln fähig. Eger und das Egerer Gebiet hatten also immer nur als Reichspfand zu Böhmen gehört und sind zu keinem Zeitpunkt integrierter Bestandteil der Krone Bömens geworden oder gewesen.
Das 19. Jahrhundert
Das Egerland gehörte nun zur Habsburger Monarchie bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Es ist hier nicht möglich, die politische Entwicklung während des 19. Jahrhunderts in wenigen Sätzen zu skizzieren. Gab es um 1800 noch bei Tschechen und Deutschen in Böhmen einen gemeinsamen Landespatriotismus, so änderte sich dies in den nächsten Jahrzehnten grundlegend. Es sei nur hingewiesen auf die Bedeutung des wirtschaftlichen Aufschwungs, den nationalen Aufbruch der slawischen Völker, die panslawistischen Bestrebungen, das Werben des "Frankfurter Paulskirchen-Parlaments" (das erste während der Revolution 1848/49 demokratisch gewählte Parlament im Deutschen Bund) um die Tschechen, das von Palacky geschaffene Geschichtsbild, das den Tschechen in Jan Hus einen nationalen Heros gab, die Fiktion des sog. böhmischen Staatsrechts ... Die positive Entwicklung der Industrie vor allem in den deutsch besiedelten Gebieten ermöglichte den noch friedlichen Wettstreit der Tschechen und Deutschen auf dem Gebiet des Bildungswesen; so wurde eine Schulsystem geschaffen, das für Mitteleuropa und darüber hinaus beispielgebend werden sollte. Es gab auch noch keine Konkurrenz um Arbeitsplätze wie in der 1. Republik; die tschechischen Akademiker besetzten die Staatsstellen, die deutschen gingen in die Industrie. Die Folge war, daß die Tschechen in den leitenden staatlichen Ämtern weit überrepräsentiert waren gegenüber der übrigen Bevölkerung. Der Arbeitskräftemangel in der Industrie der deutsch besiedelten Gebiete bewirkte, daß Arbeitsuchende aus den (bäuerlichen) tschechischen Gebieten in die deutschen Städte zuwanderten und diese in wenigen Jahrzehnten "tschechisierten". Diese Entwicklung und auch die Vermischung von Deutschen und Tschechen hat den Charakter der beiden Völker wohl mehr geprägt und angenähert, als beide wahr haben wollten und wollen. Auch das allgemeine freie Wahlrecht und die politische Gleichberechtigung aller Nationen verhinderte nicht, daß die Tschechen gegen den "habsburgischen Völkerkerker" polemisierten.
Der Erste Weltkrieg - Gründung der Tschecho-Slowakei
Während des Ersten Weltkrieges hofften die ins Exil gegangenen tschechischen Politiker um Masaryk und Beneš auf eine Niederlage der Mittelmächte, um einen Nationalstaat schaffen zu können. Tschechische Deserteure bildeten in den Gegnerstaaten der Mittelmächte militärische Einheiten, die sog. "Tschechische Legionen", die einerseits auf deren Seite kämpften und nach Ende des Krieges das erwünschte Staatsgebiet besetzen und schon auch mit Anwendung von Gewalt "vollendete Tatsachen" schaffen konnten. Die Sieger des Weltkrieges 1914 - 1918 brachen mit einer jahrhundertealten europäischen Tradition und schlossen die Verlierer von den Friedenverhandlungen aus; eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Der habsburgische Vielvölkerstaat wurde zerschlagen; während die Deutschen und Ungarn zu den Verlierern gehörten, hatten es die Tschechen erreicht, zu den Siegern gezählt zu werden. Am 28.9.1918 erkannten die Entente-Mächte den sog. tschechoslowakischen Nationalrat, gegründet 1916 von Masaryk und Beneš, als vorläufige tschechoslowakische Regierung an. Organisationen der Tschechen und Slowaken in den USA hatten während des Ersten Weltkrieges sich darüber geeinigt, wie ein gemeinsamer Staat aussehen sollte. Im "Pittsburger Vertrag" wurde dies festgehalten und am 30.5.1918 auch von T. G. Masaryk mitunterzeichnet; von diesem wurde später der Vertrag nur als lokale Abmachung der amerikanischen Tschechen und Slowaken bewertet, während für die Slowaken es die Bedeutung einer Magna Charta hatte. Die aus der Not geborene Fiktion einer tschecho-slowakischen Nation sollte sich sehr bald als brüchig erweisen, da sie eben weder in der Geschichte eine Grundlage hatte noch in der Politik der Ersten Republik eine Bestätigung fand.
Es wurde nun kein Nationalstaat gefordert,wie es andere Völker verlangten, sondern ein Staat in den sogenannten "historischen Grenzen" Böhmens, den durch Zufall von Politik zustandegekommenen Grenzen; somit mußte nun wieder ein Vielvölkerstaat entstehen wie der Jahrzehnte lang von den Tschechen bekämpfte habsburgische. Allerdings wollte man sich auch mit den historischen Grenzen nicht begnügen, wenn man die Slowaken, die man zur Mehrheitsbildung brauchte, mit in den Staat nehmen mußte; schließlich gehörten diese seit tausend Jahren zu Ungarn und hatten so historisch und kulturell mit den Tschechen nichts gemeinsam. Die Widersprüchlichkeit der Argumentation von Beneš wurde auf der Friedensverhandlung durchaus erkannt. Proteste der Deutschen wurden negiert und friedliche Demonstrationen gegen die Einbeziehung in den geplanten Staat mit Gewalt von den tschechischen Legionären niedergeschlagen.
Die Bewohner Egers und des Egerlandes wurden nun zu den "Sudetendeutschen" gezählt, ein neu entstandener Begriff, der alle Deutsch-Böhmen zusammenfaßte, so unterschiedlich sie sein mochten. Zum letzten Male wurde bei den Friedensverhandlungen die Tatsache angeführt, daß Eger als Stadt des Reiches nie nach Böhmen incorporiert gewesen sei. Auch Eger wurde natürlich von den tschechischen Truppen besetzt. Die Sieger ließen weder den Anschluß Deutsch-Österreichs an das Reich zu noch den der von Deutschen besiedelten Randgebiete Böhmens. Der Ruf nach dem Selbstbestimmungsrecht war vergeblich; bei den Friedensverhandlungen wollte man überhaupt keine Abstimmungen - wie vorgeschlagen - zulassen, da man befürchtete, daß dann möglicherweise für den tschecho-slowakischen Staat nichts mehr übrig bleiben würde. Auch Beneš äußerte sich über zu erwartende Abstimmungsergebnisse widersprüchlich, was wohl auch auf dessen Unsicherheit hinweist.
Bedenken gegen den geforderten Vielvölkerstaat und auch dagegen, daß man die deutschen Feinde darin haben wollte, begegnete Beneš damit, daß er "Schweizer Verhältnisse" versprach. Als ihn im Mai 1919 der Vorsitzende der Kommission für die neuen Staaten, Berthelot, einlud, die Vorstellungen seiner Regierung von der inneren Gestaltung der Tschechoslowakei näher zu präzisieren, kam Beneš diesem Wunsche mit seiner Note vom 20. Mai nach. In Punkt 1 seiner Note heißt es: "Die tschechoslowakische Regierung hat die Absicht, ihren Staat so zu organisieren, daß sie als Grundlage der Nationalitätenrechte die Grundsätze annimmt, die in der Verfassung der schweizerischen Republik zur Geltung gebracht sind. D. h., sie will aus der Tschechoslowakischen Republik eine bestimmte Art Schweiz machen, wobei sie, wie sich von selbst versteht, die besonderen Verhältnisse in Böhmen in Betracht zieht." Ergänzt wurde seine Festlegung auf die Grundsätze der schweizerischen Konstitution noch durch weitgehende Zusicherung in der Sprachenfrage. Es heißt im Punkt 8 der Note: "Die offizielle Sprache wird die tschechische sein; in der Praxis wird jedoch die deutsche Sprache die zweite Sprache des Landes sein und laufend in der Administration, vor den Gerichten und im zentralen Parlament auf Grundlage der Gleichheit verwendet werden."
Diese Erklärung hat Berthelet dann am selben Tag in der Sitzung der Kommission für die neuen Staaten verlesen und damit offiziell den Konferenzprotokollen einverleibt. Es wäe ein ehrliches und demokratisches Handeln gewesen, wenn Beneš die Regierung und das Parlament seines Landes von den Verpflichtungen in Kenntnis gesetzt hätte, die er in der Note vom 20. Mai übernommen hat. Die Grundsätze, die er darin niederlegte, konnten ja nur im Rahmen der Verfassung realisiert werden, deren Beratung die Revolutionäre Nationalversammlung sofort nach Abschluß des Friedensvertrages in Angriff nahm.
Was am 20. Mai 1919 in Saint-Germain von Beneš im Namen der tschechoslowakischen Regierung versprochen wurde, ist aber bis zum 10. Oktober 1937 in der Tschechoslowakei verheimlicht worden.
In der späteren Erörterung dieses Vorgangs hat sich Beneš stets auf den einschränkenden Nachsatz berufen, wonach bei der Gestaltung der Tschechoslowakischen Republik in eine bestimmte Art Schweiz, "wie sich von selbst versteht, die besonderen Verhätnisse in Böhmen in Betracht gezogen" werden sollten. Dieser Nachsatz diente der Ausrede, die tschechoslowakische Verfassung hätte eben die besonderen Verhältnisse Böhmens in Betracht gezogen und sei deshalb zu keiner anderen Lösung gelangt. Diese Behauptung spekuliert auf die Unkenntnis der Strukturverhältnisse in beiden Ländern. Die Note vom 20. Mai 1919 anerkannte als Vorbild ausdrücklich die Grundsätze der schweizerischen Verfassung. Diese Grundsätze kennen weder den Begriff des Staatsvolkes, noch den Begriff der Minderheiten, noch das Prinzip einer bevorzugten Staatssprache. In der Schweiz werden die Ämter, wie die des Bundespräsidenten oder Außenministers, der Reihe nach mit dem Würdigsten besetzt. In der Tschechoslowakei hätte kein Deutscher oder Ungar Parlamentsvorsitzender, Außenminister oder Staatspräsident werden können.
Die 1. Republik
Die bei gewaltlosen Demonstrationen gegen die Einbeziehung in die geplante "Tschechoslowakei" erschossenen Deutschen mußten wohl das Verhältnis zum "Staatsvolk" genauso belasten wie die unbedachte Äußerung Masaryks von den - seit annähernd tausend Jahren in Böhmen wohnenden - Deutschen als "Immigranten und Kolonisatoren", was abwertend gedacht war; oder auch die Tatsache, daß die Polen, Ungarn, Ruthenen an der Verfassung unbeteiligt waren und in der Einleitung lesen durften: "Wir, das Tschechoslowakische Volk ..." Es war für die Gegenwart nicht hilfreich, daß, wie Beneš noch in seinen Memoiren schrieb: "... die Tschechisierung unserer deutschen Gebiete vollzieht sich automatisch durch den natürlichen Bevölkerungsaustausch und die Vermischung der deutschen und tschechischen Bevölkerung ...". Trotzdem setzten sich bei den Deutschen und Tschechen diejenigen durch, die in dem neuen Staat friedlich zusammenleben wollten. Die als "Aktivisten" bezeichneten deutschen Parteien begannen 1925 mit einer vorsichtigen Zusammenarbeit mit den tschechischen; zwischen 1925 und 1935 standen etwa 75 bis 85 Prozent der deutschen Wähler hinter den aktivistischen Parteien. Doch die "Republik" konnte aus vielfältigen Gründen die Zeit nicht nutzen, die Sudetendeutschen zu gewinnen, aber auch nicht die Slowaken!, Polen, Ungarn, Ruthenen. Die Wirtschaftskrise, die Not in den sudetendeutschen Industriegebieten, die Tschechisierung ließen keine ruhige Entwicklung zu. Schon die Frage der Arbeitsplätze, der Schulbesuch der Kinder sorgten für dauernde Aufgeregtheit in der Öffentlichkeit. Noch 1938 konnten die Egerer in ihrer Zeitung lesen, daß in der benachbarten, rein deutschen Stadt Asch sechs neue, tschechische Briefträger eingestellt worden seien, aber Deutsche arbeitslos waren. Bei den Wahlen 1935, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise, wo in den deutschen Gebieten auf 100 Einwohner 9 - 12 Arbeitslose entfielen, konnte die radikalere Sudetendeutsche Partei - die einen autonomen Status für die Deutschen forderte wie die Slowaken für sich - die Untätigkeit der Regierung in der Zeit der Republik für sich nutzen und fast alle Deutschen auf ihre Seite ziehen.
Das Abkommen von München
Es war nur folgerichtig, daß man in Berlin die Sudetendeutschen - um die man sich im "Reich" nie scherte - als Mittel der Politik entdeckte und sie entsprechend gebrauchte; ab 1937 machte Hitler mit dem Problem Druck auf die internationale Öffentlichkeit. Für die staatstreuen ("aktivistischen") Parteien der Sudetendeutschen war es nun eine Existenzfrage, von Beneš in den Fragen eines Minderheitenrechtes, Selbstverwaltung und Kulturautonomie reale Zugeständnisse zu erhalten. Der Vorstoß wurde von einflußreichen tschechischen Politikern unterstützt und scheiterte in erster Linie an Beneš. Im August 1938 äußerte er gegenüber amerikanischen Diplomaten, er sei nicht bereit, die Deutschen als zweites Staatsvolk anzuerkennen. In dem diplomatischen Gerangel vor dem Münchner Abkommen entwickelte er für den französichen Ministerpräsidenten einen neuen Plan zur Sudetenfrage. Beneš hatte anerkennen müssen, daß eine ungestörte Assimilation der Deutschen nicht möglich war, so schlug er vor, das Egerland abzutreten und einen Zipfel Nordostböhmens, insgesamt ca. 4 - 6 000 qkm; dazu sollte Deutschland 1,5 - 2 Millionen Sudetendeutsche in sein Gebiet übernehmen. Das sudetetendeutsche Siedlungsgebiet betrug ca. 30 000 qkm mit 3,39 Millionen Einwohner. Die Westmächte lehnten den Plan ab mit dem Hinweis, daß die Staatsgrenze mit der ethnischen Grenze zur Deckung gebracht werden sollte. Von nun an war der Gedanke der Aussiedlung der Deutschen aus dem Sudetengebiet ein fester Bestandteil von Beneš's Politik. Auch den Siegermächten, welche die Tschechoslowakei ermöglicht hatten, brannte das Problem auf den Nägeln, als sie erkennen mußten, daß man in Prag gar nicht daran dachte, die von Beneš versprochenen "Schweizer Verhältnisse" herzustellen. So zwang 1938 die englische Regierung Prag den Vermittler Lord Runciman auf, der die Lage in der Tschechoslowakei mit Hilfe einer Kommission untersuchen und Vorschläge zur Befriedung der "Minderheiten" unterbreiten sollte. Als Hitler damit drohte, die Sudetendeutschen notfalls mit Gewalt "heim ins Reich holen" zu wollen, kam es am 29. September 1938 zwischen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien zum sog. "Abkommen von München", das die Tschechen als das "Diktat von München" bezeichnen, in dem die von Deutschen bewohnten (Rand-)Gebiete der Tschechoslowakei an Deutschland angegliedert wurden.
Das Egerland im Deutschen Reich
Anfangs war die öffentlich vorgeführte Begeisterung der "Sudetendeutschen" groß, bald scheint diese einer mehr nüchternen Betrachtung gewichen zu sein; bevor noch die deutsche Wehrmacht die Grenze überschreiten konnte, hatte die Gestapo schon ca. 25 000 Deutsche - Sozialdemokraten und Kommunisten - verhaftet und in KZs gebracht. Vor allem konnten sich, wie großspurig verkündet wurde, die wirtschaftlichen Verhältnisse natürlich nicht von heute auf morgen zum Positiven wenden; im Januar 1939 mußte zugeben werden, daß die Arbeitslosen - durch die Jahreszeit bedingt - im Sudetengau noch um 17 000 zugenommen haben. Die tschechischen staatlichen Angestellten, welche die Deutschen in ihren Gebieten aus den Ämtern verdrängt hatten, kehrten - vertraglich geregelt - in die Tschechische Republik zurück (was heute polemisch - wohl auch wider besseres Wissen - als "Vertreibung" bezeichnet wird); die frei gewordenen Stellen wurden zum Teil von Beamten aus dem "Reich" eingenommen, so daß bei den Sudetendeutschen wieder das Gefühl entstand, abermals benachteiligt zu werden. Eine Unmenge bürokratischer Regelungen, die im Reich nach und nach entstanden, brachen über die Sudetendeutschen in wenigen Wochen herein; schon das Abhalten eines Faschingsvergnügens mußte durch entsprechenden Papierkrieg legitimiert werden, das Abspielen des "Badenweilers" war, außer bei feierlichen offiziellen Anlässen, ein Vergehen. Nach wenigen Friedensmonaten erlebten die Sudetendeutschen nur mehr Kriegsjahre, während denen die tschechischen Exilpolitiker bei den Alliierten alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzten, bei entsprechendem Kriegsausgang die Deutschen und Magyaren entrechten - damit enteignen - und vertreiben zu können, was dann auch - vor allem durch Anlehnung an die Sowjetunion - geschehen ist. Über die Greuel der Vertreibung gibt es umfangreiche Berichte, u.a. die "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" (siehe Literaturverzeichnis).
1945/46 endete so die tausendjährige Geschichte der Stadt Eger.
Literatur
Karl Siegl: Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten von 1000 Jahren, Eger 1931;
Karl Bosl: Die Staufische Reichspolitik im oberpfälzischen, fränkischen und böhmischen Raum, in: Oberpfalz und Oberpfälzer, Kallmünz, 1978.
Heribert Sturm: Eger, Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951;
Heribert Sturm: Districtus Egranus, eine ursprünglich bayerische Region, Historischer Atlas von Bayern, München 1981;