Das Kriegsende in Eger 1945

Edith Bergler, Bayreuth

Am 19. April 1945 überschritt die 3. Amerikanische Armee unter General Patton die alte Reichsgrenze von 1937 bei Gottsmannsgrün (heute Trojmezí), nördlich von Asch gelegen, und rollte ins Sudetengebiet ein. Die NSDAP hatte auch im Westen des Landes dazu aufgerufen, Panzersperren zu errichten und Feldstellungen zu bauen. Jedoch lehnte die Zivilbevölkerung die sinnlose Verteidigung ihrer Heimat ab, da der Widerstand gegen die zahlenmäßig und materiell überlegenen Amerikaner illusorisch war. Die Männer des Volkssturms jedoch konnten sich dieser Meinung nicht anschließen und versuchten, sich mit teilweise unzulänglicher Bewaffnung dem Feind entgegenzustellen.

In Eger war es, abgesehen von Bombardierungen, bis Mitte April 1945 zu keinen Kampfhandlungen gekommen. Jedoch war die Bevölkerung der Stadt und des Umlandes ab da verstärkt Beschießungen durch Tiefflieger ausgesetzt, wobei es auch Tote gab.

Die Verwaltung der Stadt war in den tiefen Kellergewölben des Gasthauses "Sonnenhof" an der Reichsstraße (heute 17. Listopadu) eingerichtet worden. Auch die Befehlsstelle der Luftschutzleitung, der die Feuerwehr, der Volkssturm etc. unterstanden und die den Luftschutz koordinierte, war hier untergebracht.

Eger war im Frühling 1945 von Konrad Henlein (Gauleiter und Reichsstatthalter) mit folgenden Worten zur Festung erklärt worden:

"Eger, die Wiege der Sudetendeutschen Partei, trug die Fahne des Aufstands und muß als Vorbild allen zeigen, wie man für die Fahne stirbt. Eger muß bis zum letzten Stein gehalten werden, auch wenn unter diesem Stein alle Egerer sterben."

Standortkommandant Major Geißler sollte die Stadt halten und bis zur möglichen Zerstörung verteidigen.

Um sinnloses Blutvergießen in der Stadt zu vermeiden, sprachen am Vormittag des 20. April Pfarrer Hugo Gerstberger von der evangelischen Friedenskirche und Erzdechant Wilhelm Doppl von der katholischen St. Niklaskirche bei Major Geißler vor. Die beiden Geistlichen bemühten sich, auf eine kampflose Übergabe der Stadt hinzuwirken. Anscheinend verlief diese Unterredung aber erfolglos.

Um 15.30 Uhr heulten die Sirenen wieder zum Fliegeralarm, der bis 19.15 Uhr dauerte. Gegen 17 Uhr jagten erneut amerikanische Tiefflieger über die Stadt, beschossen die beiden hoch aufragenden Türme der St. Niklaskirche und setzten deren Spitzhelme sowie die jeweiligen vier Ecktürmchen in Brand. Bis heute tragen diese Türme eine provisorische Abdeckung, die die Kirche entstellt.

Weiterer Artilleriebeschuß beschädigte am 25. April die Friedenskirche und das Pfarrhaus. An beiden Gebäuden entstanden Schäden, die aber relativ unbedeutend waren. Dieser Angriff dürfte vermutlich der letzte in Eger gewesen sein, vor dem die Sirenen gewarnt hatten. 89 mal waren die Egerer während der ersten vier Monate des Jahres 1945 durch ihr Heulen in die Keller geschickt worden.

Reste der Egerer Volkssturmeinheit und des 33. Infanterie-Regiments wollten die Stadt verteidigen.

Zum ersten Mal trafen deutsche und amerikanische Streitkräfte (97. Infanteriedivision unter General Milton B. Halsey) am 25. April 1945 aufeinander, berichtet der tschechische Publizist Jindřich Marek, wobei er sich auf amerikanische Militärdokumente beruft.

Die Deutsche Wehrmacht hatte sich in den Häusern von Hundsbach verschanzt und kontrollierte mit Sperrfeuer die Straße Waldsassen – Hundsbach, um das Vorrücken der Amerikaner unmöglich zu machen. Dagegen gingen die G-Kompanie des 2. Bataillons und das 3. Bataillon vor.

Als die Pioniere gegen Abend die Straße sowie die Brücke südlich von Waldsassen wieder in Stand gesetzt hatten, befahl Divisionsgeneral Frank H. Partridge mehrere Panzer der C-Kompanie des 782. Panzerregiments nach Hundsbach, um die Wehrmacht von dort zu vertreiben.

Gegen 20.30 Uhr war der Weg nach Eger frei.

Die Amerikaner blieben während der Nacht auf ihren Positionen am südlichen Stadtrand. Sperrfeuer der deutschen Artillerie war aus den Stellungen bei Schöba (heute Všeboř) und Pograth (heute Podhrad) zu hören. Aus den nördlichen Teilen der Stadt zogen sich die deutschen Soldaten zurück.

Eine Stunde vor der Morgendämmerung des 26. April kam es zu einem unerwarteten Angriff eines ca. 130 Mann zählenden deutschen Kommandos auf den Befehlsstand des 3. Bataillons des 387. Regiments bei Heiligkreuz (heute Sv. Křiž).

Dieser war ein Ablenkungsmanöver, um den Rückzug der deutschen Soldaten aus Eger zu decken. Es folgte eine erbitterte Schießerei, bei der die Wehrmacht ungefähr 40 Amerikaner gefangen nahm. Dabei handelte es sich in erster Linie um einen Arzt und 32 unbewaffnete Sanitäter aus dem Feldlazarett, die später wieder entlassen wurden.

In der Stadt war es ruhig, denn die deutschen Soldaten hatten Eger bis auf einige Scharfschützen verlassen, die die Amerikaner aus Fenstern und Dachböden bekämpfen wollten. Viele Verwundete lagen aber noch in den Krankenhäusern und Lazaretten. An der Bahnlinie nach Schirnding hatten sich Volkssturmeinheiten eingegraben.

Die Amerikaner wollten den Sturm auf Eger aber nicht nur aus südlicher Richtung, sondern auch von Norden her durchführen.

Hier sind das 387. Regiment unter Oberst W. D. Long und vor allem das 2. Bataillon des 386. Regiments unter Oberst Dale R. Lillywhite zu nennen.

Am 25. April 1945 begann das 1. Bataillon des 387. Regiments um 6.00 Uhr morgens einen Angriff, der aus der Gegend des bayerischen Ortes Silberbach erfolgte und in Richtung Liebenstein (heute Libá), Trogau (heute Drahov), Kropitz (heute Krapice) und Franzensbad (heute Františkovy Lázně) verlief. Dabei waren als Verstärkung einige Sherman Panzer der B-Kompanie des 782. Panzerbataillons und selbstfahrende Geschütze M-18 Hellcat der B-Kompanie des 820. Panzerabwehrbataillons sowie eine Erkundungskompanie des gleichen Bataillons eingesetzt.

Lillywhites 2. Bataillon griff um 7.30 Uhr mit einer Panzerabteilung und selbstfahrenden Geschützen vom bayerischen Hohenberg aus an. Dieser Vorstoß erfolgte über Mühlbach (heute Pomezi) und Zettendorf (heute Cetnov) nach Eger (heute Cheb). Trotz des erbitterten Widerstands des kleinen noch in der Stadt verbliebenen Restes der Wehrmacht gelang das Eindringen in den nordwestlichen Teil der Stadt, wo 1.600 russische Kriegsgefangene befreit wurden.

Nach Kontaktaufnahme zwischen dem 387. und dem 386. Regiment am 26. April 1945 zog sich das 2. Bataillon vom Stadtrand zurück, während die beiden anderen Bataillone des 386. Regiments trotz starken Maschinengewehr- und Gewehrfeuers gegen 18.00 Uhr Haslau (heute Hazlov) und gegen 20.40 Uhr Franzensbad (heute Františkovy Lázně) besetzten, wo in den Kurhäusern 3.000 verwundete deutsche Soldaten lagen.

Trotz der eindeutigen Überlegenheit der Amerikaner galt der Befehl weiter, die Stadt bis zum letzten Mann zu halten.

Major Geißler fuhr am Morgen des 26. April an die Kampflinie, um persönlich die Verteidigung zu leiten, und ordnete an, die Rote Brücke zu sprengen, die von der Pograther Straße (gibt es heute nicht mehr) über die drei Bahngleise führte.

.

Geißlers völlige Fehleinschätzung der Lage bzw. sein fanatisches Beharren auf der Verteidigung der Stadt, was sinnloses Blutvergießen nach sich ziehen mußte, veranlaßten den Deutschen Karl Sternkopf zu eigenmächtigem Handeln.

Sternkopf schlich über die Frontlinie und zeigte den Amerikanern die schwächste Stelle der Verteidigung, die bei dem Geländeeinschnitt an der Bahnlinie nach Schirnding unweit des Fußballplatzes hinter dem Neuen Kloster lag. Hierhin soll Sternkopf einen amerikanischen Panzerspähwagen geführt haben. Dieser überquerte dort das Bahngleis, umfuhr das Kloster und gelangte auf die Reichsstraße (heute 17. Listopadu). Von dort bog er bei der nächsten Straße rechts ab und fuhr in Richtung Obertor-Kaserne. In der Nähe der Kaserne kam ihm ein Motorrad mit Beiwagen entgegen, das aus dem Maschinengewehr des Spähwagens unter Feuer genommen wurde.

Major Geißler, der auf dem Rücksitz saß, wurde getötet, während der Fahrer und die Ordonnanz im Beiwagen mit Verwundungen davon kamen. Erst später erfuhren die amerikanischen Soldaten, daß sie zufällig den Mann erschossen hatten, der Eger bis zum letzten Mann hatte verteidigen wollen, nicht auf die Worte der beiden Pfarrer gehört hatte und seinen verantwortungslosen Starrsinn nun mit dem Leben bezahlte.

Als die Nachricht von der Anwesenheit eines amerikanischen Panzerspähwagens vor der Obertor-Kaserne bei der deutschen Einheit im Egertal bekannt wurde, wo einige Raketenwerfer standen, feuerten sie in diese Richtung.

Aus den 1954 erschienenen Erinnerungen des Majors Schießel, der Geißlers Vertreter war, gibt Marek weitere Einzelheiten wieder:

Die Nachricht von Geißlers Tod wurde Schießel durch den verletzten Ordonnanzoffizier Geißlers überbracht. Schießel begab sich sofort zu Carl Stollbrock, dem Kommandanten der 2. Panzerdivision der Wehrmacht, die am Flugplatz stand. Stollbrock bedauerte Geißlers Tod, weil er ihn sehr gut gekannt hatte, und fragte Schießel nach seiner Einschätzung der Verteidigung der Stadt. Dieser antwortete: "Bei einem Nahkampf brauchen uns die Amerikaner nicht mehr unter Feuer zu nehmen, weil wir uns in den schmalen winkeligen Gassen der Stadt gegenseitig erschießen werden." Stollbrock wollte dann Schießels Meinung zu einem eventuellen totalen Rückzug der Wehrmacht aus der Stadt wissen. Das war für Schießel eine gefährliche Frage, denn Defätismus wurde mit dem Tod bestraft. Daher gab er keine Antwort, sondern verwies auf die Folgen, die seine Äußerung haben könnte. Stollbrock hatte aber ebenso die Ausweglosigkeit der Lage erkannt und wollte seine Untergebenen vor dem Tod bewahren. Deswegen einigte er sich mit Schießel auf den Abzug der noch in der Stadt verbliebenen Soldaten, der bis Mitternacht erfolgt sein sollte. Auf einer neuen Linie zwischen Friedhof und Flugplatz wollte man die Einheiten aufstellen.

Als diese Entscheidung getroffen war, erschien der durch die Kommandantur des Korps ernannte neue Verteidigungskommandant der Stadt, ein Schießel unbekannter Hauptmann.

Zwischenzeitlich hatten Dr. Emil Janka, der amtsführende Bürgermeister der Stadt, und Stadtrat Bartl nach längerem vergeblichem Bemühen und auf eigene Faust morgens um 9.00 Uhr mit militärischen Vertretern der 1. Kompanie über die Kapitulation der Stadt gesprochen. Danach ließ Janka in der Stadt die weißen Fahnen hissen.

Unterschrieben wurde die Kapitulation am 26. April 1946 um 14.30 Uhr im Krankenhaus auf der Abteilung der Inneren Medizin.

Laut Sturm betonte Janka bei der Unterzeichnung ausdrücklich, die deutsche Bevölkerung lehne eine Überführung der Stadt in tschechische Verwaltung entschieden ab.

Während der Zeit der Verhandlungen verharrten die Amerikaner an der Kampflinie im südlichen Teil der Stadt. Erst nach der Unterzeichung der Übergabe rollten die ersten amerikanischen Panzer in die Stadt und rückten in die nördlichen Teile vor. Nur einige Scharfschützen leisteten aus Häusern an der östlich verlaufenden Bahnlinie geringfügigen Widerstand.

Obwohl die Straßenbrücke über die Eger gesprengt war, überschritten die Amerikaner von Franzensbad (heute Františkovy Lázně ) kommend den Fluß über die Pfeiler. Auf dem Marktplatz kamen die Leute aus den Häusern und waren froh über das Ende der Kämpfe. Dort tanzten sogar amerikanische Soldaten mit einigen Mädchen aus Eger.

Dröhnender Donner der deutschen Flak beendete plötzlich diese Stimmung der Erleichterung. Ihre Einschläge beschädigten Häuser in der Bindergasse (heute Provaznická). Die stark bewaffneten deutschen Einheiten an der neuen Frontlinie am Flugplatz gaben sich noch nicht geschlagen.

Nach der Übergabe der Stadt mußte der Bürgermeister die Anordnung einer vorübergehenden Ausgangssperre an die Bevölkerung weitergeben sowie die Aufforderung, sämtliche Waffen abzuliefern. Amerikanische Befehlshaber lösten die Befehlsstelle der Luftschutzleitung im "Sonnenhof" auf. Die Stadtverwaltung wurde wieder ins Rathaus verlegt.

Noch etwa eine Woche war die städtische Feuerwehr für den Brandschutz verantwortlich. Dann übernahm die tschechoslowakische Berufsfeuerwehr aus Pilsen (heute Plzeň) den Feuerschutz.

Die Truppen General Pattons hatten am 6. Mai 1945 die Linie Karlsbad-Pilsen-Budweis (heute Karlovy Vary-Plzeň-Čes. Budějovice) erreicht.

Hier durften sie nicht weiter vorrücken, um Prag zu befreien, denn diese Ehre hatte sich Stalin ausbedungen. Ebenso sollten seine Truppen den größten Teil der Tschechoslowakei besetzen, da Stalins eiserne Faust die Tschechoslowakei umklammerte, seit Beneš 1943 sein Land freiwillig mit den Kommunisten verbunden hatte (12. Dezember, Vertrag "Über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Nachkriegszusammenarbeit").

Außerdem hatten beide zusätzlich in dem Vertrag vom 8. Mai 1944 ihre Freundschaft und Bünd-nistreue bekräftigt und festgelegt, daß die sowjetische Armee ab dem Betreten der Tschechoslowakei den Oberbefehl im Gebiet der Kriegsoperationen haben werde.

 

 

Denkmäler, die an gefallene Soldaten erinnern,

die Eger und das Egerland von den Nationalsozialisten befreiten

An die amerikanischen Soldaten, die bei Kämpfen im Egerland gefallen sind, erinnern zwei Denkmäler.

Das Mahnmal an der Gabelung der aus Eger hinausführenden Prager Straße (heute Pražská):

Hier ehrt die 1. Infanteriedivision (Big Red One, unter General C. R. Huebner) ihre Toten, die während der Zeit vom 8. Februar 1945, als diese Einheit die Westgrenze Deutschlands überschritten hatte, und dem 7. Mai 1945 zu beklagen waren. 19 Angehörige dieser Infanteriedivision fielen im Egerland. An den Kämpfen in und um Eger war dieser Truppenteil aber nicht beteiligt.

Der Erinnerungsstein im Obertor-Park:

Dieser ist den amerikanischen Soldaten gewidmet, die ihr Leben in Eger verloren. Sie und 46 weitere Soldaten, die im Egerland starben, gehörten der 97. Infanteriedivision unter General Milton B. Halsey an.

Das Denkmal beim Eingang des Friedhofs in Eger (heute Cheb), das "den sowjetischen Helden" gewidmet ist, die Eger befreit haben sollen, ist eine Fälschung.

In Eger und im Egerland kämpften keine Russen.

Quellen:

Gerstberger Johanna (Hg.): Hugo Gerstberger – Tagebuch Eger – 30. 09. 1923 – 06. 06. 1945, Ludwigsburg, (Privatdruck 2000)

Marek Jindřich: Šeříkový sólokapr, Cheb 2002

Schieder Theodor (Hg.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957

Sturm Heribert: Eger – Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951