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Massaker während der sog. "wilden" Vertreibung in der Tschechoslowakei 1945
(Edith Bergler, Bayreuth)


Zwei Beispiele:

Die Massenerschießung der Männer von Saaz / Žatec 3. - bis 6. Juni 1945

Die Massaker von Aussig / Ústi am 31. Juli 1945


 

Die Massenerschießung der Männer von Saaz / Žatec 3. - 6. Juni 1945

 


 

 

Direkt verantwortlich in Prag:
Václav Nosek, Innenminister

Verantwortliche vor Ort:
Oberleutnant Jan Zícha
Leutnant Jan Čubka
Hauptmann Vojtěch Černy
Polizist Bohuslav Marek
General O. Španiel

 

Die Konzentration der deutschen Bevölkerung und die Selektierungsmaßnahmen geschahen am 28. und 29. Mai 1945.

Am 3. Juni wurden die Männer von Saaz/Zatec (13 bis 65 Jahre alt, auch Kranke und Krüppel) unter großer Gewalteinwirkung und vielen Schüssen auf dem Marktplatz von Saaz zusammengetrieben.Es waren ungefähr 5000 Menschen. Nachzügler wurden auf der Stelle erschossen.

Drei Deutsche, die von ihren Wohnungen aus dieses unmenschliche Treiben verfolgten, nahmen sich das Leben, um nicht in die Hände der Verbrecher zu fallen.

Im Laufe des Vormittags wurden die Männer und Knaben in drei Kolonnen unter Peitschenhieben und Schüssen nach Postelberg getrieben, das 15 km von Saaz entfernt liegt. Wer nicht mehr gehen konnte, wurde sofort erschossen. Postelberg war menschenleer, da die Bewohner zuvor in Lager getrieben worden waren.

Das Ziel die Kaserne in Postelberg (Posteloprty).

Um Mitternacht erreichte ein Nachtrupp mehr tot als lebendig den Kasernenhof in Postelberg.

Dabei handelte es sich um 150 Männer, die aus dem Gefängnis in Saaz herausgetriebenen worden waren.

Alle Männer saßen während der Nacht auf dem Boden des Kasernenhofs und durften auch zur Notdurft ihren Platz nicht verlassen. Sobald einer sich erhob, wurde geschossen. Es gab Tote und Verwundete, um die sich niemand kümmerte.

Der 4. Juni war der Tag der Beraubung.

Zuerst mußten die Deutschen ihre Toten und Verwundeten in den Splittergraben werfen, der die Latrine war. Schüsse aus Maschinenpistolen erlösten die Verwundeten von ihren Leiden.

Tschechen sammelten in großen Kisten Geld, Uhren und Ringe ein. Briefe, Dokumente und Medikamente wurden vernichtet.

Die Nacht zum 5. Juni verbrachten die Postelberger in den Ställen, in denen man wegen der Hitze und Enge kaum atmen konnte. Im Hof wurden während der ganzen Nacht Männer wegen Nichtigkeiten erschossen.

Am 5. Juni begann das Aussortieren für das planmäßige Morden.

Die Stalltüren wurden geöffnet. Wer nicht schnell genug in den Hof rannte, wurde erschossen.

Es wurden Abteilungen gebildet, in denen sich die Männer der SS, SA, NSKK, der Wehrmacht und der Sudetendeutschen Partei sammeln sollten.

Die einen kamen hinter Stacheldraht, die anderen sperrte man in Ställe ein, andere wurden in Arbeitsgruppen eingeteilt. Gruppen wurden zum Lagertor hinausgeprügelt und kamen nicht zurück. Sie gingen in den Tod. In diesem unbeschreiblichen Durcheinander wurde ständig geschossen und geschlagen. Tote mußten in die Latrine geworfen werden. Geschah das nicht schnell genug, beförderte ein Schuß den Transporteur gleich hinterher. Es gab auch an diesem Tag nichts zu essen.

Der 6. Juni war der Tag des Kindermords und der planmäßigen Erschießungen.

In der Nähe des Kasernentors saßen wie alle Tage etwa 120 Jungen im Alter von 13 bis 18 Jahren. Als ein Arbeitstrupp die Kaserne verließ, schlossen sich fünf Jugendliche unauffällig an. Sie wollten so dieser Hölle entgehen. In Postelberg wurden sie aufgegriffen und zurückgebracht.

Vor den versammelten Gefangenen mußten sich diese Knaben entkleiden. Sie wurden am ganzen Körper gepeitscht, so daß das Blut in Strömen floß und sie in einer großen Blutlache kauerten oder lagen.

Niemand im Hof durfte sich rühren. Nach einer halben Stunde wurden die Geschundenen einzeln nach der Reihe erschossen.

Anschließend wurden Trupps mit bis zu 80 Mann aus der Kaserne hinausgeführt. Die Männer wußten, daß sie in den Tod gingen

(Noch bis Mitte Juni wurden hier Menschen erschossen.)

Am 6. Juni wurden 800-1.000 Männer in das KT(=KZ) 28 Litvinov (Oberleutensdorf) überstellt, andere wurden zur Zwangsarbeit nach Laun (Louny) zugewiesen, ein Teil der Geschundenen kehrte nach Saaz (žatec)zurück, wo man sie in den dortigen Lagern konzentrierte.

Auf Veranlassung einer Kommission für Staatssicherheit im Parlament kam es 1947 zu einer Untersuchung des Falls. 763 Skelette wurden exhumiert.

Vojtěch Černy gab zu, den Befehl zu dieser Aktion aus Prag bekommen zu haben.

Nach dieser Aussage folgte die Untersuchungskommission 1947 der Empfehlung des Innenministers Václav Nosek, der vorschlug, "die Sache ohne jeglichen Eingriff in die breite Öffentlichkeit zu lösen." Nosek hatte 1945 mit größter Wahrscheinlichkeit den Befehl dazu erteilt.

1997 stellte Ludwík Vaculik mit drei weiteren Bürgern aus Prag Anzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft in Prag wegen der Strafttaten in Postelberg (Postoloprty), die sie als Kriegsverbrechen und Völkermord bezeichneten.

Das Gerichtsverfahren wurde mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Parlamentskommission, die die Untersuchung des Falls am 30. und 31. Juli 1947 durchführte, empfahl, die Ereignisse in Postoloprty (Postelberg) nach Dekret 115 zu behandeln.

Dazu ein Kommentar von Tomáš Staněk (Verfolgung 1945 ) aus dem Jahr 1998:

"Selbst wenn diese Bewertung einen realen Hintergrund hat und die Stimmung der damaligen Zeit zum Ausdruck bringt, verblüfft darin im Abstand der Zeit die offensichtliche Tendenz, die menschliche Tiefe der Tragödie zu bagatellisieren, die Hunderte von Männern mit ihrem Leben bezahlt haben, und das Maß der Schuld derer zu mindern, die für sie direkt verantwortlich waren."

Quellen:

Tomáš Staněk: Verfolgung 1945, Wien, Köln, Weimar 2002;

Theodor Schieder (Hg.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957;

 


 

Die Massaker von Aussig / Ústi am 31. Juli 1945

 

Verantwortlich für dieses Verbrechen:

Das Tschechoslowakische Innen- und Verteidigungsministerium, das Bedřich Pokorný, der den Todesmarsch von Brünn (Brno) ausgeführt hatte, auch mit der Durchführung dieser Aktion betraut hatte. (Beweisführung: Dr. Vladimír Kaiser, Direktor des Archivs in Aussig / Ústi)

Nachfolgendes lehnt sich an den Augenzeugenbericht des sudetendeutschen Sozialdemokraten Alois Ullmann an, der in dem Heft "Es gibt nicht nur ein Lidice" (in: Ernst Paul, Es gibt nicht nur ein Lidice, München , 3. Aufl. 1994) veröffentlicht ist. Ullman stammte aus Aussig und war von 1939 bis 1945 im KZ Dachau interniert.

Schon am Vormittag des 31. Juli 1945 waren die Svoboda-Garde sowie ca. 300 sehr zweifelhaft aussehende Personen, die mit einem Zug aus Prag angereist waren, in der Stadt eingetroffen.

Im Stadtteil Schönpriesen lagerte in einem Depot in der Zuckerfabrik eine große Menge verschiedener Munition, die von der Wehrmacht zurückgelassen worden war. Dort beschäftigte man deutsche Häftlinge aus dem tschechischen Koncentračni Tabor (Konzentrationslager) Ùsti-Všebořice (Aussig-Schöbritz), die an diesem Tag bereits um 14.45 Uhr aus der Zuckerfabrik entfernt wurden.

Gegen 15.00 Uhr explodierte das Munitionsdepot. Das war der Startschuß. Die Jagd auf alle Deutschen begann.

Um 15 Uhr war aber auch Betriebsschluß im Industriegebiet Schreckenstein. Die deutschen Arbeiter aus den Schicht-Werken und anderen Betrieben kehrten in die Stadt zurück. An ihren weißen Armbinden waren sie eindeutig als Deutsche zu erkennen.

Wollten sie in die Stadt gelangen, mußten sie über die Elbe-Brücke gehen, weil sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen durften. Daher hatten sich in der Nähe des Bahnhofs und des Marktplatzes die wildesten Schläger postiert, um Deutsche dort auch im Wasserreservoir zu ertränken.

Wer auf die 13 Meter hohe Brücke gedrängt wurde, die die Elbe in einem weiten Stahlbogen überspannt, hatte verloren. Männer, Frauen, sogar eine Frau mit einem Kinderwagen, wurden über das Brückengeländer geworfen und waren Zielscheiben, bis sie nicht mehr aus den Fluten auftauchten. Niemand weiß die Zahl dieser Toten, von denen der Fluß viele auf deutschem Gebiet an das Ufer spülte.

Aber auch aus den Häusern wurden die Deutschen herausgetrieben und mit Beilen, Brechstangen und Ähnlichem traktiert, zur Elbe getrieben, erschlagen, erschossen.

Nach dem Bericht eines ehemaligen Funktionärs der tschechoslowakischen Verwaltungskomission in Aussig (Ústi) wurden am Abend des Massakers mehr als 2.000 Tote in der Stadt an mehreren Stellen zusammengetragen, geplündert, von internierten Deutschen auf Autos geladen und zur Kremation nach Theresienstadt (Terezín) gebracht. Die Begleiter der Toten kehrten nicht zurück. Er sagte:

"Lidice war ein lebendiges Denkmal des unseligen <Furor teutonicus>, und Aussig a. E. war eine Rehabilitierung der deutschen nazistischen Mörder. Die Zahl der Opfer war hier fast die vierfache. Wird dieses Verbrechen nicht als <Furor Čechoslowaka plebs> in die Geschichte eingehen?”

(Theodor Schieder, Hg.: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957;)

Schuldige wurden nie gefunden, da Pokorný auf Anweisung der Regierung die Vorkommnisse untersuchte und als erster von einem Sabotageakt der Werwolf-Organisation sprach.

Dekret 115 (siehe unter Dekrete) schützt auch diese Mörder vor Strafe und rechtfertigt ihre Verbrechen als "gerechte Vergeltung".

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