Der Egerer Stadtwald, eine Besonderheit

Edith Bergler, Bayreuth

 

1945/46 waren fast alle Deutschen (3.000.400) bettelarm aus der Tschechoslowakei hinausgetrieben worden. Nur den Bürgern von Eger war noch ein einziger gemeinsamer Besitz geblieben, den Beneš und seine Dekrete (siehe unter Dekrete des Edvard Beneš) nicht erreichen konnten, weil er in Bayern liegt.

Laut Grundbucheintragung des Amtsgerichts Tirschenreuth hatte die Stadt Eger im Jahr 1554 in der Gemarkung Ottengrün bei Neualbenreuth in der Oberpfalz ein 634 Hektar großes Waldstück als Gemeinschaftseigentum der Bürger von Eger gekauft, das seit Kriegsende vom Forstamt Regensburg verwaltet wird.

Bis heute ist die Stadt Eger dort im Grundbuch als Eigentümerin des "Egerer Stadtwalds" verzeichnet.

Deswegen schworen sich die Vertriebenen aus Eger, diesen Besitz als ein Stück Identität für sich zu bewahren und das Weiterbestehen der Stadtgemeinde Eger auf deutschem Gebiet festschreiben zu lassen, da die Bevölkerung Egers seit der Vertreibung in der Bundesrepublik lebt. Der Antrag wurde 1957 juristisch abgelehnt.

Im Jahr 1963 wollte die kommunistisch geführte Stadt Cheb (Eger) der Gemeinde Waldsassen 500 Quadratmeter des Waldgebiets verkaufen.

Um Rechtskontinuität nachweisen zu können, verwendeten die Tschechen in der Urkunde als Ortsbezeichnung der Stadt sowohl "Cheb" als auch "Eger".

Sie behaupteten, es habe nach der Aussiedlung der Deutschen lediglich eine Namensänderung gegeben, die die Eigentumsrechte nicht berührte.

Danach gingen die Vertriebenen beim bayerischen Oberlandesgericht in die Revision. Diese endete damit, daß Cheb (Eger) die Besitzrechte zugesprochen wurden.

Gegen diese Entscheidung protestierten die Vertriebenen mit einer Eingabe beim Deutschen Bundestag. Das Parlament konnte die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht nachvollziehen. Daher beschloß es 1965 eine "Lex Eger" und nahm den "Egerer Stadtwald" in das Rechtsträger-Abwicklungsgesetz auf.

Der Wald wurde damit unter treuhänderische Verwaltung der Bundesrepublik gestellt.

Im Jahr 1998 bestätigte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, Cheb (Eger) könne über die Liegenschaft nicht verfügen.

Jedoch beanspruchte nach dem Ende der kommumistischen Ära die demokratische tschechische Regierung dieses Waldgebiet erneut.

1998 bot die Stadt Cheb (Eger) den "Egerer Stadtwald" der Bayerischen Staatsregierung für 10 Millionen D-Mark zum Kauf an. Mit dieser Summe sollte die Stadt (z. B. Kanalisation) saniert werden.

Statt sich mit dem 1945 geraubten Besitz der Egerer zufrieden zu geben, sich der rechtswidrigen Enteignungen zu schämen und ein Zeichen der Versöhnung zu setzen, forderte die tschechische Stadtverwaltung 53 Jahre nach den Totalenteignungen der Sudetendeutschen auch noch den in Bayern liegenden letzten Gemeinschaftsbesitz der Bürger von Eger ein. Dieses Ansinnen zeigt überdeutlich, daß sowohl der tschechischen Regierung als auch der Stadtverwaltung in Cheb (Eger) jegliches Unrechtsbewußtsein fehlt.

Mit dieser Tatsache konfrontiert, versuchte die Bayerische Staatskanzlei ein Versöhnungwerk auf den Weg zu bringen. Sie schlug vor:

Bayern verkauft den Wald unter der Bedingung, daß der Kaufpreis sowie eine ebenso große Geldsumme aus der Tschechischen Republik in eine zu gründende "Kulturstiftung Eger" eingehen sollten.

Der Sprecher der Staatskanzlei, Martin Neumeyer, bezeichnete das Vorhaben als ein "Projekt der Verständigung und des Miteinander".

Die Voraussetzungen zur Realisierung des Projekts waren die Einigung der Vertriebenen und Tschechen sowie die Zustimmung der Bundesregierung.

Die Vertriebenen sowie die Bundesregierung stimmten der Idee zu.

Daher lud Bügermeister Václav Jakl im September 1999 eine achtköpfige Abordnung des Egerer Landtags, der Vertretung der Vertriebenen aus Eger, zum gemeinsamen Gespräch mit dem Stadtrat nach Cheb (Eger) ein.

Das "Projekt der Verständigung und des Miteinanders" fand im Stadtrat von Cheb (Eger) keine Mehrheit.

Seit dieser tschechischen Ablehnung ist die Affäre "Egerer Stadtwald" ein schwebendes Verfahren, über das momentan niemand spricht.

Quelle:

Schmidt, Hans-Jörg: Eger und die Egerer. Im Stadtwald aufeinander zugehen, in: Egerer Zeitung Nr. 10, 1999