Standgerichte in der Tschechoslowakei im Mai 1945
(Edith Bergler, Bayreuth)

 

Zwei ausgewählte Beispiele:

Das Standgericht von Landskron (Lanškroun) vom 17. und 18. Mai 1945 (Nordost-Böhmen)

Die Standgerichte fanden in der Regel auf Befehl der Kommandeure der Partisanenbrigaden oder der Revolutionsgarden statt, hatten mit einem Gerichtsverfahren nicht das Geringste zu tun, verhängten ihre Entscheidungen spontan ohne Nachweis und verliefen äußerst brutal. Wenige Minuten entschieden über Leben und Tod oder physische Qualen, die sehr viele nicht überlebten und ihren Tod als Erlösung empfinden mußten.

Sie brachen über die deutsche Bevölkerung willkürlich herein. Teilweise arbeiteten sie auch nach Verzeichnissen, die von Tschechen während der Protektoratszeit angefertigt worden waren. Darin waren die Mitglieder der SS, der SA oder der NSDAP aufgeführt, aber in vielen Fällen fanden sich dort Namen, die aus persönlicher Aversion, Neid, Verleumdung etc. aufgenommen worden waren. Neben dem Austoben einer Art Blutrausch dienten sie auch der totalen Beraubung der deutschen Bevölkerung.

Das blutigste aller Standgerichte in der Tschechoslowakei wurde in Landskron (Lanškroun) abgehalten. Es bestand auch aus Tschechen, die schon vor 1910 hier wohnten und daher ständiges Wohnrecht hatten.

Den Vorsitz führte der Vorsitzende des Kreis-Nationalausschusses Sägewerksbesitzer Josef Hrabáček. Weiter gehörten dazu die beiden Weber Franz und Stefan Matschat, Wilhelm Pfitzner von der Krankenkasse, Schuhmacher Bernhard Wanitschek, Tischler Friedrich Bednář, Polák, ein Offizier der Gendarmerie, Frau Losser sowie der Kommandeur der Brigade Hýbl-Brodecký.

Am Nachmittag des 17. Mai 1945 standen weit mehr als 4.000 Männer aus Landskron (Lanškroun) und Umgebung mit erhobenen Armen und entblößtem Oberkörper auf dem Stadtplatz. Diejenigen, an deren Armen SS-Runen gefunden wurden, erschlug man. Die anderen wurden geprügelt, man trat ihnen in die Genitalien, bespuckte sie und schoß ihnen vor die Füße oder über die Köpfe.

Partisanen warfen die Verwundeten nacheinander in den Löschwasserbehälter vor dem Rathaus, neben dem das Standgericht auf dem Gehsteig vor einem Kramladen Platz genommen hatte. Mit Stöcken und Stangen wurden die Männer unter Wasser gedrückt, um sie zu ertränken. Wollte sich ein Ertrinkender am Beckenrand anklammern, trat und schlug man ihm auf die Hände.

Verletzte Männer, die am Boden lagen, strahlte man mit der Feuerwehrspritze ab.

Dann begann die "Verhandlung" des Standgerichts. Einige Tschechen waren die Ankläger.

Die aufgerufenen Deutschen mußten die letzten 30 Schritte bis zum "Richtertisch" auf dem Boden kriechen. Das bereits fertige Urteil wurde ihnen mit Kreide auf den Rücken geschrieben. Dann mußten sie 50 Meter durch eine von Tschechen gebildete Gasse gehen. Hier schlug oder trat jeder auf die Wehrlosen ein, um sich bei der Befreiung der Republik besonders hervorzutun. Die Gasse endete beim Eingang des Gefängnisses, das viele mehr tot als lebendig erreichten.

Der erste Aufgerufene war Tischlermeister Karl Piffl. Er wurde vor den Augen aller mit brutalster Gewalt zu Tode geprügelt. Salven aus Maschinenpistolen töteten Reichstätter, Benesch, Neugebauer und Dietrich.

Die Witwe des Kaufmanns sah vom Dachboden aus dem Grauen zu, das sich vor ihrem Tor abspielte. Um diesem unmenschlichen Treiben ein Ende zu setzen, zündete sie das Haus an und erhängte sich. Das Volksgericht geriet in Panik und beendete an diesem Tag sein Wüten vorzeitig.

Am nächsten Tag begann die Bestialität erneut.

Quelle: Jan Mlynarik, Fortgesetzte Vertreibung, München 2003; Sidonia Dedina, Edvard BeneŠ - Der Liquidator, Dinkelsbühl 2000

 

 

Das Standgericht von Schwarzbach (Trušt) am 24. Mai 1945 (Südböhmen)

Dieses Standgericht wurde nicht von Kommandeuren einer Partisanenbrigade oder einer Revolutionsgarde befohlen. Es diente dazu, daß sich Tschechen nach der sog."wilden" Vertreibung der deutschen Dorfbewohner nach Österreich, den Besitz tschechischer Bauern aneignen wollten, die 1939 für die deutsche Staatsangehörigkeit votiert hatten. Sie hatten sich seinerzeit so entschieden, weil sie sich dadurch Arbeitsplätze erhofften und annahmen dadurch wieder zu Österreich kommen zu können, von wo sie bei der Gründung der Tschechoslowakei (28. 10. 1918) abgetrennt worden waren. Österreich hatte die Bauern im ertragsarmen Weitra-Gebiet subventioniert. Vom tschechoslowakischen Staat jedoch bekamen sie keine Hilfe.

Den Vorsitz des Standgerichts führten Václav Maxa aus Schwarzbach und der Fahrlehrer Matěj Podlaha. Insgesamt bestand es aus 13 "Richtern". Obwohl kein Partisanenkommandeur anwesend war, findet sich im Protokoll, daß "dieses Gericht auf den ausdrücklichen Wunsch von Oberst Hobza, dem Kommandeur eines Partisanen-Regiments, zusammengetreten ist, der beauftragt worden war, das Weitra-Gebiet von den deutsch-nazistischen Elementen zu säubern."

Das Tribunal trat am 24. Mai 1945 um 21.00 Uhr im Keller des Schulhauses zusammen. Den 14 Beschuldigten ( der einzige Deutsche war der ehemalige Bürgermeister Leopold Hofhansl) wurde ein DINA4-Blatt vorgelegt das mit "Urteil" überschrieben war und folgenden Inhalt hatte.

"Ich der Unterzeichner........ erkläre hiermit, daß ich die Tschechoslowakische Republik verraten habe und für meinen Verrat den Tod verdiene."

Die Beschuldigten lehnten die Unterschrift wegen der Absurdität ab. Darauf mißhandelte man sie so lange, bis sie ihren Tod herbeisehnten und unterschrieben.

Um 23.00 Uhr kam aus dem Keller ein Zug von blutüberströmten Menschen, die mehr krochen als gingen und mit Seilen zusammengebunden waren. Die Dorfbewohner begleiteten sie zum Schindanger, wo bereits eine Grube ausgehoben worden war. Die Exekution nahm František Říha vor.

Definitiv erhielt ein Teil der "Richter" das landwirtschaftliche Eigentum der Hingerichteten nach Dekret 12 vom 21. Juni 1945 zugesprochen.

Říha war während des Krieges in der Stärkefabrik in Gmünd (liegt in Österreich unmittelbar an der tschechischen Grenze) beschäftigt gewesen. Dort belästigte er Frauen und Mädchen und stahl den französischen Zwangsarbeitern ihre Päckchen, die sie vom Internationalen Roten Kreuz bekamen. Als ihn der Lagerverwalter zur Rede stellte, bedrohte er ihn mit einem Messer.

Daraufhin wurde er am 26. Februar 1943 in das KZ Mauthausen verbracht. Seit dieser Zeit sah er sich als Nazi-Opfer. Die Tatsache allein, daß er in Mauthausen gewesen war, brachte ihm alle Vergünstigungen von tschechischer Seite ein. Auch bei der Entschädigung aus Deutschland war niemand an den wahren Gründen seines Aufenthalts im KZ interessiert. Daß er ein Mörder ist, der unbehelligt in Prag lebt, weil in der Tschechoslowakischen Republik Mord nach 20 Jahren verjährt, interessiert weder die deutsche noch die tschechische Regierung. Bis heute ist die tschechische Justiz nicht gewillt, gegen Řïha den Genozid- oder Kriegsverbrecher-Paragraphen anzuwenden, die beide unverjährbar sind.

Quelle: Jan Mlynarik, Fortgesetzte Vertreibung, München 2003