Das tschechoslowakische Lagersystem ab Mai 1945
(Edith Bergler, Bayreuth)

 

Nach Heinz Nawratil ("Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1948", 5. Aufl. München 1999) errichtete die tschechoslowakische Regierung ab Kriegsende ein über das ganze Land verteiltes Lagersystem, in dem ein großer Teil der seit 800 Jahren ansässigen deutschen Bevölkerung hauptsächlich aus ethnischen Gründen eingesperrt wurde.

Dieses Lagersystem bestand aus:

1.215 Internierungslagern

846 Arbeitslagern

215 Spezialgefängnissen

350.000 Deutsche waren vor ihrer Vertreibung hier interniert und mußten Zwangsarbeit leisten.

Der Terror und die Umstände in den Internierungslagern der Tschechoslowakei, schreibt Petr Holub am 30. Juni 1997 in der tschechischen Wochenzeitung "Respekt", forderten nach der Schätzung des tschechischen Historikers Tomáš Staněk aus Troppau (Opava) von Kriegsende (Mai 1945) bis 1946 insgesamt 24.000 bis 40.000 Todesopfer.

Kurt Böhme ("Gesucht wird...Die dramatische Geschichte des Suchdienstes", München 1970), der frühere Leiter des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes, gibt 1970 die Zahl der in diesen Lagern bis 1955 Verstorbenen oder Verschollenen mit ca. 100.000 an.

Alfred Bohmann ("Das Sudetendeutschtum in Zahlen", München 1959) nennt für das Jahr 1950 etwa noch 5.000 lebende deutsche Zwangsarbeiter in tschechoslowakischen Lagern.

1955 endete die Internierung deutscher Zwangsarbeiter in der Tschechoslowakei.

Es ist das Verdienst der Politik des damaligen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Bei Inkrafttreten der Pariser Verträge (5. Mai 1955) wies der Kreml Prag an, die Internierten vor der nach dem 5. Mai zu erwartenden Moskau-Reise Adenauers freizulassen. Die Entlassung erfolgte im Sommer 1955.

Weiterverwendete KZ-Einrichtungen der Nationalsozialisten im tschechoslowakischen Lagersystem

Beispiele:

Terezín (Theresienstadt)

Hagibor in Prag

Prosečnice, später umbenannt in Lešaky (Innerböhmen)

Litvinov (Oberleutensdorf) bei Brüx (Most)

Záluži (Maltheuern) bei Brüx (Most)

Rabstejn, jetzt Havraní (Rabstein) bei Böhmisch Kamnitzeská Kamenice)

Chomutov-Sklarska (Komotau-Glashütte)

Rychnov (Reichenau), Kreis Gablonz (Jablonec)

Nová Role (Neu-Rohlau), Kreis Elbogen (Loket)

Bruntál (Freudenthal), Regierungsbezirk Troppau (Opava)

Jiřětín, jetzt Jiřětín oder Jedlovou (St. Georgenthal), Kreis Warnsdorf (Varnsdorf)

 

Im ersten Jahr nach Kriegsende hießen diese Lager provokativ Koncentračni Tabor (Konzentrationslager).

Sie wurden auch als solche geführt.

Nach einem Jahr wurden sie im Hinblick auf das Ansehen im Ausland umbenannt.

Geändert hat sich aber nur die Bezeichnung. Die unmenschliche Behandlung blieb.

 

 

In allen Lagern herrschten:

Wegen dieser Zustände wandten sich die britischen Unterhausabgeordneten Richard R. Stokes und Strauss mehrfach an die tschechoslowakische Regierung. Schließlich machte sich Stokes vor Ort ein Bild über die Lagerführung. In seinem Bericht im MANCHESTER GUARDIAN vom 10. Oktober 1945 schreibt er:

"...In der Tat wurden viele sudetendeutsche Sozialdemokraten, die wegen ihrer antinazistischen Gesinnung in KZs gebracht worden waren, jetzt in tschechische Arbeitslager eingewiesen, aus dem einzigen Grund, weil sie Deutsche waren. ... Hagibor, in der Nähe Prags...Die Baracken sind typische Lager-Baracken mit drei-Stock-Betten, ohne primitivste Annehmlichkeiten und mit den schrecklichsten sanitären Einrichtungen...Ich fand alle Arten von Menschen im Lager vor...Das wöchentliche Menue des Lagers: Frühstück und Abendessen, schwarzer Kaffee und Brot, Mittagessen, Gemüsesuppe...Nach meiner Schätzung betrugen ihre Rationen 750 Kalorien täglich, also unter denen in Bergen-Belsen <nationalsozialistisches Konzentrationslager>...Um 6 Uhr kamen die ersten Arbeitgeber mit Autos und Lastautos in das Lager, um die Sklaven auszusuchen und abzutransportieren..."

Auch in das KZ Theresienstadt, aus dem die Häftlinge der Nationalsozialisten befreit worden waren, wurden Deutsche abtransportiert. Dieses KZ übernahmen die Tschechen von den Nazis und führten es mit der Bezeichnung Koncentračni Tabor (KT) Terezín unter Kommandant Alois Průša weiter.

Hans G. Adler, ein von den Nationalsozialisten dort internierter Prager Jude, schreibt dazu in seinem Buch "Theresienstadt 1941-1945",Tübingen 1960 :

"Die Befreiung von Theresienstadt hat das Elend an diesem Ort nicht beendet...In die Kleine Festung wurden Deutsche des Landes und reichsdeutsche Flüchtlinge eingeliefert...die Mehrzahl, darunter viele Kinder und Halbwüchsige, wurde bloß eingeliefert, weil sie Deutsche waren. Nur weil sie Deutsche waren..? dieser Satz klingt erschreckend bekannt; man hatte bloß das Wort "Juden" mit "Deutschen" vertauscht. Die Fetzen, in die man die Deutschen hüllte, waren mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Menschen wurden elend ernährt, mißhandelt, und es ist ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deutschen Konzentrationslagern her gewohnt war...Die Anzahl der Häftlinge wechselte und dürfte 3.000 kaum einmal überstiegen haben. Nur wenige wurden eines Verbrechens überführt und abgeurteilt, viele wurden erschlagen oder gingen im Lager zugrunde..."

Der deutsche Arzt Dr. Siegel berichtet in den "Dokumenten zur Austreibung der Sudetendeutschen" (4. Aufl. München 1952):

Im KT Terezín befanden sich auch sechs Juden, die die nationalsozialistischen KZs überlebt hatten. Sie waren hier von Tschechen eingesperrt worden, weil sie Deutsche waren.

Ab Kriegsende sind im KT Terezín 1.100 tote Deutsche registriert, 670 davon namentlich.

Die Zahl der Toten wird auf 1.300-1.400 geschätzt.

Trotzdem sagte der tschechische Premier Miloš Zeman am 19. Mai 2002 bei einer Gedenkfeier für tschechische NS-Opfer in Terezín (Theresienstadt), Tschechen und Slowaken hätten Deutsche nie in Konzentrationslager gesperrt. Diese Lüge ist an Impertinenz und Unmoral nicht mehr zu übertreffen.

Beispiele besonders berüchtigter tschechoslowakischer Konzentrationslager, die nach Kriegsende 1945 im tschechischen und sudetendeutschen Gebiet errichtet worden waren:

Adolfovice (Adelsdorf), Kreis Freiwaldau (Jeseník)

Domašov (Thomasdorf), Kreis Freiwaldau (Jeseník)

Die Lager um Mährisch Ostrau (Ostrava), besonders das Hanke-Lager

Die Lager um Witkowitz (Vitcovice)

Jiřětín, jetzt Jiřětín oder Jedlovou (St. Georgenthal), Kreis Warnsdorf (Varnsdorf)

Bruntál (Freudenthal), Regierungsbezirk Troppau (Opava)

Karthaus (verschwunden) bei Jitschin (Jičin))

Olomouc-Hodolany (Olmütz-Hodolein)

Horní Staré Město (Ober Altstadt) bei Trautenau (Trutnov)

Rychnov (Reichenau), Kreis Gablonz (Jablonec)

Terezín (Theresienstadt)

Ústi-Skrivanbole (Aussig-Lerchenfeld)

Chomutov-Sklarska (Komotau-Glashütte)

Kadaň-Prunéřov (Kaaden-Brunnersdorf)

Rabstejn, heute Havrani, (Rabstein) bei Böhmisch Kamnitzeská Kamenice)

Nová Role (Neu Rohlau), Kreis Elbogen (Loket)

Ušovice (Auschowitz) bei Marienbad (Mariánské Lázně)

Město Teplá (Stadt Tepl)

Třemošná (Tremoschna) bei Plzeň (Pilsen)

Plzeň – Bory

Chrastavice bei Taus (Domažlice)

Týnice in Innerböhmen

Prosečnice (heute Lešaky) in Innerböhmen

Dubí bei Kladno

Helenín (Helenenthal) in der Iglauer Sprachinsel

Horní Kosov (Obergoß) in der Iglauer Sprachinsel

Bartoušov (Pattersdorf) in der Iglauer Sprachinsel

Kaunitz-Kolleg in Brünn (Brno)

Malmeritz in Brünn (Brno)

Pohořelice (Pohrlitz)

In Groß-Prag gab es 25 Lager für Deutsche. Besonders gefürchtet waren:

Hagibor

Rais-Schule

Stalinová

Stadion Strahov

Hloubětín

Im Raum Brüx (Most) gab es über 30 Konzentrationslager für Deutsche. Besonders gefürchtet waren:

Záluži (Maltheuern) Nr. 27, 28, 31, 32, 38b, Jugend- und Frauenlager 17, 18

Most (Brüx) Nr. 37

Dolní Jiřetin (Nieder-Georgenthal) Nr. 22, 25

Vrchoslav (Rosenthal) Nr. 33, 34

Litvinov (Oberleutensdorf)

Ein Beispiel:

Koncentračni Tábor Litvinov (Konzentrationslager Oberleutensdorf):

Lagerkommandant: Karel Vlasak, ehemaliger Kohlenarbeiter im Zentrumschacht Maltheuern

Über dem Torbogen des Eingangs war in großen Buchstaben der Wappenspruch der Tschechen zu lesen: "Pravda vitězi" (Die Wahrheit siegt)

Zu beiden Seiten des Eingangs wehten tschechoslowakische Staatsfahnen.

(Bei nationalsozialistischen Konzentrationslagern war über dem Eingang zu lesen: "Arbeit macht frei". Zu beiden Seiten des Eingangs wehten nationalsozialistische Hakenkreuz-Fahnen.)

Wie aus vielen Berichten hervorgeht, haben die Tschechen nicht nur die Praktiken und Methoden in den Konzentrationslagern des NS-Regimes kopiert und "verfeinert", sondern auch den Zynismus, der sich im Anbringen eines solchen Spruchs und im Hissen der Staatsfahnen zeigte.

Quellen:

Turnwald, Wilhelm: (Hg.) zus. mit der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, 4. Auflage, München 1952

Schieder, Theodor (Hg.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957

Die tschechische Regierung verweigert bis heute (Januar 2005) Entschädigung der Zwangsarbeit für :

Die tschechoslowakische Regierung forderte aber ab 1999 von der Bundesregierung Entschädigung für tschechische Zwangsarbeiter.

Dabei verschwieg sie:

Im März 2000 stellte die Bundesregierung - ohne auf Dekret 108 hinzuweisen - 423 Millionen D-Mark zur Entschädigung tschechoslowakischer Zwangsarbeiter bereit.

Aus dieser Summe wurde pro Person als Entschädigung gezahlt:

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