Die Verteibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei 1945/46
(Edith Bergler, Bayreuth)

 

Am 5. Oktober 1938 trat Edvard Beneš als tschechoslowakischer Staatspräsident zurück und ging am 22. Oktober 1938 ins Exil, obwohl nach dem Münchner Abkommen ( 29. September 1938), in dem die am 21. September erfolgte Abtretung der Sudetengebiete an das Reich unterzeichnet worden war, das restliche tschechosolwakische Gebiet als von den Nazis unbehelligtes Staatsgebilde bis 15. März 1939 erhalten blieb.

Als neuer tschechoslowakischer Staatspräsident fungierte ab 30. November 1938 Emil Hácha. Er hatte trotz der vertragswidrigen Eröffnung des Protektorats Böhmen und Mähren (15. März 1939) dieses Amt bis Kriegsende inne.

Beneš ermächtigte sich mit seinem ersten Dekret vom 15. Oktober 1940 zur provisorischen Gesetzgebung.

In London baute er seine Exil-Regierung auf, bereitete systematisch die Vergeltungsmaßnahmen sowie die kollektive Enteignung und Vertreibung der Sudetendeutschen und Ungarn vor und rief bereits von dort aus zur Liquidierung der Deutschen in der Tschechoslowakei nach Kriegsende auf (siehe unter: Der moderne tschechische Nationalismus).

Nach Rudolf Grulich (Ethnische Säuberung und Vertreibung als Mittel der Politik im 20. Jahrhundert, 2. Aufl. Eichstätt 1999) band Beneš gezielt den katholischen Klerus in diese Exil-Regierung ein, um sein menschenrechtswidriges Vorgehen "christlich" abzusichern.

So fungierte der katholische Priester Msgr. Dr. Jan Šrámek, Professor für Moraltheologie und Christliche Soziallehre, als Ministerpräsident.

Aus diesem Grund waren die tschechischen Katholiken und Christdemokraten von der Rechtmäßigkeit der Behandlung und der Austreibung der Deutschen überzeugt.

Dazu veröffentlichte Karel Horalik am 4. Juli 1946 in Lidova demokrace einen Artikel mit der Überschrift: "Der Abschub der Deutschen und die christliche Moral".

Dort ist zu lesen: "Der Abschub der Deutschen aus dem Gebiet unseres Staates war von der Regierung im Ausland vorbereitet worden, an deren Spitze Msgr. Dr. Jan Šramek stand. Er hätte sicher dieser Regelung nicht zustimmen können, wenn sie widerrechtlich gewesen wäre und den Normen der christlichen Sittlichkeit widersprochen hätte..."

Aber auch die Českobratrská Evangelická Církev (Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder) sowie die Tschechoslowakische-Hussitische Kirche schwiegen zu diesem Verbrechen.

Msgr. Stasik, der zweite Priester, der mit Beneš im Londoner Exil war, verstieg sich in Lidova demokrace am 24. Juni 1945 sogar zu der Aussage: "Alle Deutschen sind schlecht, und das Gebot der Nächstenliebe gilt für sie nicht."

Allein Přemysl Pitter, evangelischer Theologe, Humanist und Pazifist, handelte zusammen mit seiner schweizer Mitarbeiterin Olga Fierz gemäß der christlichen Gebote. (siehe unter: Přemysl Pitter).

Beneš kam am 2. April 1945 mit einem Sonderzug aus Moskau, wohin er im März mit seiner Exil-Regierung gereist war. In Kaschau (Košice) in der Ostslowakei schwor Beneš, der selbsternannte Nachkriegs-Präsident der Tschechoslowakei, am 5. April 1945 seine nichtgewählte Regierung ein.

Dieser gehörten zum ersten Mal in der Geschichte der Tschecholowakei auch Kommunisten an.

Am 26. Mai 1946 fand die erste Wahl in der Nachkriegs-Tschechoslowakei statt, die die Kommunisten gewannen. Diese übernahmen am 25. Februar 1948 endgültig die Macht. Beneš trat am 7. Juni 1948 widerstandslos zurück. Die Kommunisten hatten das Ziel der Nachkriegszusammenarbeit erreicht. Sie war von Beneš und Stalin am 12. Dezember 1943 in dem Vertrag "Über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Nachkriegszusammenarbeit" festgelegt worden.

 

Beneš trägt die volle Verantwortung:

 

Die Vertreibung vollzog sich in fünf Phasen:

Dargestellt an der Vertreibung der Bahn- und Postbediensteten aus Eger (Juli 1945)

3.1 Die Vertreibung in die amerikanisch besetzte Zone (25. Januar 1946 bis 27. November 1946)

3.2 Die Vertreibung in die sowjetisch besetzte Zone (31. Mai 1946 bis 18. Oktober 1946)

3.3 Abschlußbericht im tschechoslowakischen Parlament

 

1. Die sog. "wilde" Vertreibung (5. Mai 1945 - 2. August 1945)

Sie war von Anfang an eine von der tschechoslowakischen Exil-Regierung massenpsychologisch und organisatorisch angeheizte Aktion, an der Edvard Beneš mit seinen aufpeitschenden öffentlichen Reden maßgeblich beteiligt war, und wurde auf brutalste Weise durchgeführt.

Die Sudetengebiete und das Protektorat gehörten ab der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 wieder zur Tschechoslowakei. Hier waren alle Deutschen ab Kriegsende rechtlos und vogelfrei. Als am 5. Mai in Prag der Nationalaufstand begann, gehorchten viele Tschechen ihrem Präsidenten und begannen im Anschluß daran die im Untergrund vorbereitete Liquidation der Deutschen.

Mit Schußwaffen, Messern und Beilen bewaffnet zogen sie durch die Straßen. SS-Mannschaften schossen auf die Rebellen. Diesen gelang es, den Sender Prag II zu besetzen. Von dort aus verbreiteten sie die Parole der nächsten Tage: "Tod allen Deutschen!"

Es begann ein planloses tagelang anhaltendes Quälen, Abschlachten und Morden der deutschen Bevölkerung dieser Stadt, unter der sich 30.000 verwundete Wehrmachtsangehörige befanden und deren Gesamtzahl 200.000 betrug. Viele deutsche Soldaten wurden von Tschechen gelyncht, indem sie an Bäumen und Kandelabern der Stadt aufgehängt wurden. Auch in ihren Wohnungen waren die Deutschen nicht mehr sicher. Aufgepeitschte Tschechen trieben sie heraus, rasierten den Frauen die Köpfe, traktierten sie mit Perversitäten, erschossen Kranke, Verletzte und Gebrechliche auf offener Straße und schleiften ihre Opfer in Gefängnisse und Keller, die die meisten nicht mehr lebend verlassen konnten. Anständige Tschechen wagten nicht einzuschreiten, da man sie sofort der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt und ebenfalls verhaftet hätte.

Deutsche, die nicht fliehen konnten, noch nicht erschlagen oder zu Tod gequält worden waren, wurden in Schulen, Kinos und Kasernen getrieben, um schließlich in eines der etwa 30 Lager in Prag gejagt zu werden.

In Gang gesetzt und durchgeführt wurde die sog. "wilde" Vertreibung, während der die Deutschen entweder über die Grenze oder in Internierungslager meistens ins Landesinnere getrieben wurden, vom tschechischen Pöbel und den Partisanen, deren Zusammenschluß in keiner Weise mit der Partisanenbewegung in Polen und Frankreich verglichen werden kann.

Viele wollten nach dem 4. Mai 1945 zu diesen "Helden" gehören, nachdem Beneš diesem Personenkreis eine bevorzugte Zuteilung aus den konfiszierten sudetendeutschen Besitzungen versprochen hatte.

Dazu kamen die vielen Kollaborateure, die nun im ganzen Land mit besonderem Einsatz ihre Staatstreue beweisen mußten.

Um als "Amtsperson" tätig sein zu können, konnte jeder Tscheche landesweit unregistriert eine rote Armbinde bekommen. Damit war er Mitglied der Revolutionären Garde und hatte den Freibrief erworben, ungestraft seine niedrigsten Instinkte an den Deutschen austoben zu können.

Weiter beteiligten sich die Garden des selbsternannten Verteidigungsministers Ludvik Svoboda (Agent Moskaus) sowie die mit der Roten Armee eingerückte tschechische Befreiungsarmee.

Schuld oder Unschuld der Deutschen standen außer Frage, da die Schuld aller Deutschen darin bestand, Deutsche zu sein.

Von Prag aus, das die Amerikaner nicht befreien durften, obwohl sie als erste militärische Vertreter der Alliierten angekommen wären, sprang der Funke auf den größten Teil des Sudetengebiets über, der von sowjetischen Truppen und tschechoslowakischen Verbänden besetzt war. Diese Ehre stand Stalins Armee zu, nachdem Beneš am 12. Dezember 1943 mit Stalin den Vertrag "über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Nachkriegszusammenarbeit"geschlossenen hatte.

Mit diesem Vertrag endete die Westorientierung der Tschechoslowakei, denn Beneš hatte damit sein Land den Kommunisten ausgeliefert, denen er zutiefst dankbar war, nachdem Stalin am 5. Juni 1943 einem "Transfer" Deutscher nach Kriegsende zugestimmt hatte.

Örtliche Nationalausschüsse, die z. T. aus Tschechen bestanden, die die Sudetengebiete nach dem Abkommen von München (29. 10. 1938) nicht hatten verlassen müssen, weil sie schon vor 1910 hier ansässig gewesen oder keine Staatsdiener waren, aber auch aus Tschechen, die nach 1938 aus wirtschaftlichen Gründen zurückgekommen waren, gehorchten auch hier ihrem Präsidenten aufs Wort, der seine Landsleute dazu aufgerufen hatte, in den Tagen nach der Befreiung vieles selbst zu erledigen, weil man sich auf eine internationale Lösung nicht verlassen könne.

Von dem Verbrechen der sog. "wilden" Vertreibung waren besonders die Deutschen im Ostsudetenland, in den Industriebezirken des Nordsudetenlands, in der Iglauer Sprachinsel, in den südmährischen Kreisen und in Brünn betroffen.

Die Bevölkerung in dem von den Amerikanern besetzten Teil Westböhmens (westlich einer Linie Pilsen- St. Joachimsthal / Plzeň - Jáchymov) blieb davon verschont.

In dieser ersten Phase der Vertreibung wurden, laut Theodor Schieder (Hg.): "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. IV/I, Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Bonn 1957", im Jahr 1945 von Mai bis Juli 700.000-800.000 Sudetendeutsche, in vielen Orten innerhalb weniger Minuten, aus Haus und Hof und über die Grenze gejagt.

Etwa 150.000 von ihnen wurden nach Österreich getrieben.

Rücksicht auf Alte, Kranke, Schwangere oder Kinder gab es nicht. Wer das Tempo nicht mithalten konnte und erschöpft zusammensank, mußte zurückbleiben. Hilfe von anderen Getriebenen wurde unterbunden. Konnten die Erschöpften trotz der Brutalität der Treiber nicht zum Weitergehen bewegt werden, wurden sie meistens am Ende der Kolonne erschlagen oder erschossen. Jenseits der Grenze waren sich die Ausgetriebenen selbst überlassen. Ihr weiteres Schicksal war den Austreibungskommandos gleichgültig, denn sie sahen ihre Aufgabe nur darin, das Land von den Deutschen zu "säubern", diese mit geringstem Aufwand auf kürzestem Weg außer Landes zu schaffen und sich ihrer so rasch wie möglich zu entledigen.

Außer zu Fuß wurden Deutsche aus dem östlichen und nördlichen Sudetenland auch per Zug in offenen Kohlewaggons abgeschoben. Dabei wurden bis zu 60 Personen in einen Waggon hineingepfercht. Die Züge waren oft tagelang unterwegs. Nahrung gab es nicht.

Der Terror gegen die Deutschen in der Tschechoslowakei wurde Ende Mai/Anfang Juni 1945 allmählich von der ausländischen Presse aufgenommen, denn der erbärmliche Zustand, in dem die Deutschen über die tschechoslowakische Grenze in die angrenzenden Besatzungszonen und nach Österreich kamen, sowie die haarsträubenden Berichte der Deutschen über ihre Behandlung in der Heimat ließen die West-Alliierten erkennen, daß sich in der Tschechoslowakei Dinge zutrugen, die sämtlichen Geboten der Menschlichkeit widersprachen.

Diese Zeit der sog. "wilden" Vertreibung kennzeichnen Standgerichte (siehe unter Standgerichte), Todesmärsche (siehe unter Todesmärsche) und Massaker (siehe unter Massaker) an der deutschen Bevölkerung, die im Ausland möglichst nicht bekannt werden sollten.

Hierzu veröffentlichte die Prager Tageszeitung Mlada Fronta Dnes am 9. Juli 2002 einen Bericht, der am 10. Juli in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen war.

Danach hat der tschechische Historiker František Hanzlik im militärgeschichtlichen Archiv in Prag Dokumente entdeckt, die beweisen, daß die tschechoslowakische Regierung nach dem Krieg im Jahr 1947, also vor der kommunistischen Machtübernahme 1948, bewußt Spuren der Verbrechen an den Deutschen aus der Zeit der sog. "wilden" Vertreibung zu verwischen versuchte. In einem Schreiben sei zu lesen, die Beseitigung der Beweise liege "im öffentlichen Interesse". Damit wollte die damalige tschechoslowakische Regierung verhindern, daß Berichte über die Massaker an ausländische Zeitungen gelangen, die negative Auswirkungen für die Tschechen nach sich ziehen könnten. "Es geht um Taten, die leicht ausgenützt werden könnten, um den ganzen Staat, die Armee und den Sicherheitsdienst zu verleumden", heißt es in einem der Dokumente. Diese Akten seien noch 1999 mit dem Stempel "geheim" versehen worden.

 

 

 

 

2. Die Vertreibung der Bahn- und Postbediensteten aus Eger (Juli 1945)

Obwohl die sog. "wilde" Vertreibung mit ihren grauenhaften Begleiterscheinungen in dem von den Amerikanern verwalteten Teil Westböhmens nicht durchgeführt werden durfte, kam es aber auch in Eger während der Potsdamer Konferenz (17. 07 1945-02. 08. 1945) zu organisierten Vertreibungen.

Aus einer Note der britischen Regierung an die tschechoslowakische Regierung vom 14. Juli 1945 geht hervor, daß England zu diesem Zeitpunkt den "Transfer" der ansässigen deutschen Bevölkerung als problematisch ansah. Mit der Repatriierung von 150.000 Reichsdeutschen, die ab Oktober 1938 nach dem Anschluß des Sudetengebiets an das Deutsche Reich zugezogen waren, zeigte sich die britische Regierung aber einverstanden.

Daher mußte die amerikanische Verwaltung die Vertreibung Deutscher aus Eger im Juli 1945 zulassen, die ab Oktober 1938 nach Eger gezogen oder dorthin versetzt worden waren.

Die tschechoslowakischen Behörden hielten sich aber nicht an die Vorgaben.

Sie unterschieden nicht zwischen Reichs- und Sudetendeutschen, aber auch nicht zwischen Reichsdeutschen, die erst nach 1938 zugezogen und von denen sofort nach Kriegsende viele ins Altreich geflohen waren, und denen, die aufgrund der Sonderstellung des Bahnhofs in Eger schon während der 1. Tschechoslowakischen Republik hier wohnten.

Sie vertrieben sämtliche Beamte und Angestellte des Bahnhofs, weil sie Deutsche waren.

Im Bahnhof der Stadt, der im österreichischen Kaiserreich von der kgl. bay. Staatsbahn erbaut worden war (1862-1865), auch während der 1. Tschechoslowakischen Republik unter Verwaltung der Deutschen Reichsbahn gestanden hatte und wegen des Auslandszuschlags ein beliebter Arbeitsplatz bei den Beamten und Angestellten der Deutschen Reichsbahn war, arbeiteten auch nach dem Anschluß der Sudetengebiete an das Reich viele Reichsdeutsche, denn ab diesem Zeitpunkt lag die Verantwortung im Bahnhof und in den Zügen allein bei der Deutschen Reichsbahn und daher in den Händen Reichs- und Sudetendeutscher.

Natürlich war der tschechoslowakischen Regierung diese zahlenmäßig starke Gruppe Reichsdeutscher in Eger bekannt.

Franz Schmidt, (der Autorin persönlich bekannt) ein damals 15jähriges Gemeindeglied der evang. Friedenskirche, der zu dieser Zeit gar nicht vertrieben hätte werden dürfen, weil sein Vater ein sudetendeutscher Lokomotivführer war, berichtet:

Ab Ende Mai 1945 wurden auch die Mädchen und Buben ab 14 Jahren, manchmal auch jüngere, zur Zwangsarbeit (siehe unter Dekrete; Nr. 71) eingesetzt. Über Plakate forderte man die Jugendlichen auf, sich auf dem Marktplatz zu melden. Dort wurden sie in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die Schwester war einer Putzkolonne zugeteilt worden, die die mit Fäkalien verunreinigten Kasernen säubern mußten. Hatten die Mädchen ein Stockwerk in Ordnung gebracht, sah es am nächsten Tag dort wieder so aus.

Eine Gruppe mehrerer Jungen, der Schmidt zugeteilt worden war, mußte Bombentrichter zuschaufeln, Schutt wegräumen und Straßen kehren. Beaufsichtigt wurden die Jungen von einem älteren Sudetendeutschen, der Antifaschist war und mit ihnen Mitleid hatte, jedoch schweigen mußte, wenn die Burschen von vorbeigehenden Tschechen beschimpft wurden.

Da die Arbeit Kraft erforderte, die Buben aber nicht genug zu essen hatten, steckten ihnen manchmal andersdenkende Tschechen etwas Eßbares zu. Dies mußte aber heimlich geschehen, denn Deutschen zu helfen war für Tschechen verboten und wurde als Kollaboration mit dem Feind eingestuft.

Eines Tages wurde die Gruppe zur Franziskanerkirche befohlen. Das steile hohe Dach des Kirchenraums sollte ausgebessert werden. Ungeübten Kindern diese gefährliche Arbeit zuzumuten, sie ungesichert auf den Dachlatten herumturnen zu lassen, um die alten Ziegel zu entfernen und neuere einzusetzen, stempelt die dafür verantwortlichen Tschechen auch heute noch als verantwortunglos und menschenverachtend ab. Wäre ein Bub vom Dach gestürzt und tot gewesen, hätte die Schuld bei dem Jungen gelegen.

Sein Tod wäre kaum zur Kenntnis genommen worden, weil er ein Deutscher war.

Hätte er ärztlich versorgt werden müssen, hätte das nicht geschehen können, denn Deutsche waren von ärztlicher Behandlung ausgeschlossen.

Mit täglicher Zwangsarbeit, Hunger, Beschimpfungen und der Angst vor der ungewissen Zukunft schleppten sich die Tage dahin, bis am 20. Juli 1945 drei mit Maschinenpistolen bewaffnete tschechoslowakische Soldaten abends zwischen 21 Uhr und 22 Uhr an die Wohnungstür der Familie Schmidt schlugen. Sie überbrachten den Vertreibungsbefehl und die Schreckensnachricht, daß die Familie am nächsten Morgen um 7 Uhr abgeholt wird. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken, denn alle Familienglieder (Eltern und drei Kinder) beschäftigte der gleiche Gedanke: Warum werden wir abgeholt, was hat das zu bedeuten, wo bringen sie uns hin?

Da Franz Schmidt den Austreibungsbefehl im Original noch besitzt, folgt die wörtliche Abschrift des deutschen Teils dieses zweisprachigen Dokuments (Fehler im Originaltext wurden mit übernommen):

"Zwecks Abtransport aus der Tschechoslowakischen Republik haben Sie sich am 21. VII. 1945 um 7 Uhr in der Obertorkaserne einzufinden.

Zum Abtransport dürfen Sie mitnehmen: Kleider, Wäsche, Schuhe, das notwendige Geschirr und Lebensmittel im Gesamtgewicht von 25 kg pro Person. Für Kinder bis zu 1 Jahr ist die Mitnahme eines Kinderwagens gestattet.

Hauptsächlich ist verboten mitzunehmen:

a) Möbeln und Wohnungseinrichtung

b) Pelzsachen, wertvolle Teppiche, Bilder usw.

c) Radioapparate, Gramofone, Photo-Apparate, elektrische Geräte aller Art

d) Schmuck und Gegenstände aus Gold, Silber u. anderer wertvoller Mettale

e) Geld, Valuten, Einlagebücher, Wertpapiere. Es ist gestattet höchstens 200.-RM im Baren proPerson mitzunehmen.

f) Urkunden und Akten mit Ausnahme von Personalausweisen

g) Waffen aller Art

h) Schenken und aufbewahren von diesen Sachen ist strafbar.

Im Falle eines gerechtfertigten Einwandes gegen die Evakuierung haben Sie sich sofort an den

örtlichen Leiter des Evakuierungskomittes im Bürgermeisteramt zu wenden."

Die Familie wurde am nächsten Tag erst gegen 10 Uhr abgeholt und nicht in die Obertorkaserne, in der heute der Dragoun-Markt seine Billigprodukte anbietet, sondern in die Brucktorkaserne in der Franzensbader Straße getrieben. (Die handschriftliche Änderung der Uhrzeit und des Sammelortes sind auf dem Austreibungsbefehl deutlich erkennbar.) Ein Freund der Familie half mit einem Handwagen beim Transport der Koffer und Rucksäcke. In der Kaserne erkannte Schmidt, daß es sich bei den Zusammengetriebenen ausschließlich um Bahnbedienstete sowie Beamte und Angestellte der Post handelte.

Verpflegung wurde zweimal täglich verabreicht. Vormittags gab es eine Tasse miserablen schwarzen Kaffee und eine Scheibe trockenes Brot, nachmittags eine dünne Suppe. In der Kaserne waren auch amerikanische Soldaten als Bewacher eingesetzt, unter deren Anweisung die halbwüchsigen Buben den Kasernenhof kehren und aufräumen mußten.

Am 27. Juli 1945 mußten die Auszutreibenden im Kasernenhof zur Gepäckkontrolle antreten. Jeder hatte seine 25 kg auszupacken und vorzulegen. Dinge, die den Tschechen gefielen oder die sie gebrauchen konnten, wurden den Deutschen abgenommen. Nach beendeter Filzung fuhren mehrere offene amerikanische Militär-Lastwagen vor und brachten die zu "Evakuierenden" zum Bahnhof.

Hier stand ein Zug mit leeren offenen Kohlewaggons bereit, in denen noch der restliche Kohlendreck und Rindenmulch lagen. Da hinein hatten die Menschen zu steigen. Ältere waren dazu nicht in der Lage und mußten von anderen Vertriebenen hineingehoben werden. Es gab keinerlei Sitzmöglichkeit. Nicht einmal ein Eimer als Toilette wurde hineingestellt.

Über Schirnding gelangten diese Hinausgetriebenen nach Bayern. Jedoch war man dort auf den Transport nicht vorbereitet und konnte die Vertriebenen nirgends aufnehmen. Deswegen fuhr der Elendszug mit den Sonne und Wind schutzlos ausgesetzten Menschen weiter nach Marktredwitz und Weiden. Aber auch hier konnten sie nicht bleiben.

Auf freier Strecke vor Schwandorf gab es einen längeren Aufenthalt, während dem sich ein Gewitter mit heftigem Regen entlud. Mit Decken versuchten sich die Vertriebenen notdürftig zu schützen. Als der Regen aufhörte, standen die nassen Ausgetriebenen und ihre ärmlichen Gepäckstücke in der schwarzen Brühe, in die das Wasser den Kohlendreck in den Waggons verwandelt hatte. In diesem erbärmlichen Zustand ging es weiter nach Regensburg. Dort wurde die Nacht auf einem Abstellgleis im Bahnhof verbracht. Endlich am nächsten Tag war die Irrfahrt zu Ende. Man brachte die Vertriebenen in den Keller der Schule in Regensburg-Kumpfmühl, deren Räume mit verwundeten deutschen Soldaten belegt waren.

Hier mußten sich die Vertriebenen Lebensmittelkarten besorgen. Für die Sudetendeutschen im Transport ergaben sich dabei besondere Probleme.

Da sie keine Reichsdeutschen, aber auch nicht geflohen waren, vermutete man, daß sie Verbrechen begangen haben könnten, weil sie von den Tschechen hinausgeworfen worden waren. Daß der Grund ihrer Ausweisung der Arbeitsplatz des Vaters bei der Deutschen Reichsbahn war, konnte sich niemand vorstellen.

Der erniedrigenden Behandlung in der Tschechoslowakei war die grundlose Verdächtigung in Deutschland gefolgt, die ebenso herabwürdigend war und vieles verzögerte.

3. Die sog. "geregelte" Vertreibung

Laut Artikel XIII des Potsdamer Protokolls sollte die sog. "geregelte" Vertreibung "in ordnungsgemäßer und humaner Weise" erfolgen.

Um die organisierte Austreibung in Gang zu bringen, deren Ablauf das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 1957 dokumentierte (Schieder), wurde im August 1945 im Innenministerium in Prag ein Spezialreferat eingerichtet. Ihm waren in Böhmen neun und in Mähren vier Gebietsbeauftragte unterstellt, denen die Bezirksnationalausschüsse und die Ortsnationalausschüsse unterstanden.

Die Sudetendeutschen wurden registriert. Jan Masaryk (Außenminister) gab in einem Schreiben vom 24. Oktober 1945 einen Überblick über die nach der sog. "wilden" Vertreibung noch vorhandene Volksgruppe.

Demnach mußten noch 2.500.000 Sudetendeutsche vertrieben werden.:

Buben unter 12 Jahren 322.000 Kinder;

Mädchen unter 12 Jahren 314.000 Kinder, zu denen auch die Verfasserin gehörte;

Männer zwischen 13 und 60 Jahren 541.500 Personen;

Frauen zwischen 13 und 60 Jahren 1.010.000 Personen;

Männer über 60 Jahren 140.500 Personen;

Frauen über 60 Jahren 172.000 Personen.

Laut Schieder errichtete man im gesamten Staatsgebiet Sammellager.

In Böhmen entstanden 75, in Mähren 29 und in der Slowakei 3.

Bei den Grenzübergangsstationen wurden Reservelager vorbereitet.

Praktisch lief die Errichtung der Sammellager darauf hinaus, daß die bereits in bestehende Konzentrations- oder Internierungslager eingewiesenen Deutschen ohne Rücksicht auf die darin herrschenden vielfach unhaltbaren Zustände (Ungeziefer, mangelnde Hygiene, mangelnde Ernährung, Überfüllung etc.) festgehalten wurden. Außerdem entließ man die ins Landesinnere zur Zwangsarbeit verbrachten Deutschen nach Abschluß des Arbeitseinsatzes nicht in ihre Heimatorte, sondern wies sie in Sammellager ein, wodurch die Familien zerrissen wurden.

Das tschechoslowakische Innenministerium bestimmte die Personen zum Abtransport und bereitete den Transport vor.

Das Verteidigungsministerium übernahm die Verantwortung für den Abtransport.

Dadurch waren die Sudetendeutschen den beiden Kommunisten Václav Nosek und Ludvík Svoboda ausgeliefert.

 

3.1 Die Vertreibung in die amerikanische Besatzungszone (25. Januar 1946 bis 17. November 1946)

Am 8. und 9. Januar 1946 legten Vertreter der amerikanischen Besatzungsbehörden in der US-Zone mit Vertretern der tschechoslowakischen Regierung die Modalitäten des "Transfers" in die amerikanische Besatzungszone fest, in die die Transporte entweder über Wiesau oder Furth im Wald gelangten.

Danach wurde vereinbart:

Jeder Transport sollte ca. 1.200 Personen befördern und aus 40 Eisenbahnwaggons (man verwendete nur Viehwaggons) bestehen, von denen jeder 30 Personen und das Gepäck beinhalten sollte. Diese Vorschrift wurde bis zum letzten der 1.077 Vertreibungszüge überwiegend beibehalten.

Weiter sollten die Menschen bei ihrem Abtransport von den Tschechen mit einem für mindestens drei Tage reichenden Lebensmittelvorrat ausgestattet sowie auf tschechoslowakischem Staatsgebiet mit warmer Verpflegung versorgt werden. Das Gepäck jedes Erwachsenen durfte 30 kg nicht überschreiten. Als Geldbetrag waren pro Erwachsenen 1.000 RM gestattet. Familien sollten nicht auseinandergerissen werden.

Die Realität sah aber bis zum Ende der Vertreibung ganz anders aus:

Den Lebensmittelvorrat hatten die Auszutreibenden selbst mitzubringen. Verpflegung von tschechischer Seite wurde nicht bereitgestellt.

Das Gepäck wurde kontrolliert, wobei gute Kleidung oder Wertgegenstände weggenommen wurden, die man oft durch Wertloses ersetzte, damit das Gewicht wieder stimmte.

Bis Mai 1946 verminderten die tschechischen Kontrolleure das gestattete Gewicht auf 25 kg.

Der erlaubte Geldbetrag war eine Utopie, da kein Sudetendeutscher mehr Zugang zu seinen Konten hatte.

Familien wurden in den ersten Wochen der Austreibungsaktion rücksichtslos getrennt, da zuerst die übervollen Lager geräumt wurden, wobei man Arbeitsfähige zurückhielt.

Am 25. Januar 1946 passierte der erste Zug die Staatsgrenze in Richtung US-Zone. Er kam aus Budweis (Čes. Budějovice) und brachte 1.200 Vertriebene nach Würzburg.

Am 27. November brachten die letzten drei Transporte Sudetendeutsche aus der Tschechoslowakei in die US-Zone. Sie kamen aus Jägerndorf (Krnov), Aussig (Ústi) und Brünn (Brno).

Nachfolgende Auflistung (nach Alfred Bohmann: "Das Sudetendeutschtum in Zahlen", München 1959) bezieht sich auf die 26 Transporte aus Eger (Cheb) , von wo aus 31.171 Egerländer in die amerikanische Besatzungszone abtransportiert wurden:

Als Sammellager dienten in Eger in der Gschierstraße die Klosterschule der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz und die Lehrerinnenbildungsanstalt.

 

 

Von Februar bis April 1946 verließen täglich vier Transporte die Tschechoslowakei.

Während dieser Zeitspanne fuhren aus Eger sechs Transporte ab:

25. Februar 1.196 Personen nach Bamberg (Bayern);

18. März 1.199 Personen nach Korbach (Hessen);

2. April 1.205 Personen nach München-Allach (Bayern);

16. April 1.205 Personen nach Dachau (Bayern);

29. April 1.200 Personen nach Mellrichstadt (Bayern);

30. April 1.112 Personen nach München-Allach (Bayern).

 

Das tschechoslowakische Innenministerium hielt sich nicht an die Vereinbarungen, sondern riß permanent Familien auseinander. Daß die arbeitsfähigen Männer im Land zurückbehalten wurden, kann an vielen Transporten nachgewiesen werden.

So waren beispielsweise bei den Transporten

am 16. Februar von Marienbad (Mariánské Lázně) nach Würzburg (Bayern) unter 1.295 Personen nur 70 arbeitsfähige Männer;

am 17. Februar von Mährisch Chrostau (Moravská Chrastová) nach Bayreuth (Bayern) unter 1.200 Personen nur 80 arbeitsfähige Männer;

am 2. März von Znaim (Znojmo) nach Schweinfurt (Bayern) unter 1.200 Personen nur 40 arbeitsfähige Männer.

 

Diese Mißstände zogen Beschwerden der Amerikaner nach sich und führten am 9. und 10. April 1946 zu erneuten Verhandlungen in Prag. Danach durften die Ausgewiesenen 50 kg Gepäck, aber nur mehr 500 RM mitnehmen.

Von Anfang Mai bis 15. Juli 1946 verließen nun täglich sechs Transporte die Tschechoslowakei.

Aus Eger fuhren 11 Vertreibungs-Züge ab:

8. Mai 1.201 Personen nach Bayreuth (Bayern);

17. Mai 1.202 Personen nach Friedberg (Hessen);

28. Mai 1.190 Personen nach Sandbach (Hessen);

1. Juni 1.160 Personen, zu denen die Verfasserin und ihre Mutter gehörten, nach Fulda (Hessen);

5. Juni 1.201 Personen nach Fulda (Hessen);

11. Juni 1.179 Personen nach Sandbach (Hessen);

17. Juni 1.181 Personen nach Wetzlar (Hessen);

22 Juni 1.215 Personen nach Wetzlar (Hessen);

28. Juni 1.180 Personen nach Fulda (Hessen);

3. Juli 1.195 Personen nach Wetzlar (Hessen);

10. Juli 1.181 Personen nach Hanau/Höchst (Hessen).

 

Die rigorosen Konfiskationen bei den tschechischen Gepäckkontrollen waren Anlaß zu einer erneuten Besprechung am 15. Juni 1946 in Prag zwischen Vertretern der amerikanischen Militärregierung und tschechoslowakischen Regierungsvertretern. Im Anschluß daran sollte jeder Vertriebene 70 kg mitnehmen dürfen.

Vom 15. Juli bis 3. November 1946 waren täglich wieder vier Transporte angesetzt.

Eger verließen während dieser Zeit neun Züge:

24. Juli 1.199 Personen nach Dachau (Bayern);

31. Juli 1.206 Personen nach Regensburg (Bayern);

28. August 1.162 Personen nach Neu-Ulm (Bayern);

12. September 1.206 Personen nach Würzburg (Bayern);

13. September 1.256 Personen nach Schwabach (Bayern);

1. Oktober 1.244 Personen nach München-Allach (Bayern);

8. Oktober 1.240 Personen nach Regensburg (Bayern);

15. Oktober 1.222 Personen nach Bamberg (Bayern);

21. Oktober 1.234 Personen nach Lauterbach (Hessen).

In Artikel XIII des Potsdamer Protokolls war festgelegt worden, daß der "Transfer" auf "humane Weise" durchgeführt werden müsse.

Abgesehen davon, daß eine Vertreibung niemals "human" sein kann, verstießen die tschechoslowakischen Behörden, sämtliche Tschechen, die damit zu tun hatten, und diejenigen, die die Behandlung der Deutschen schweigend tolerierten, gegen diese Anordnung der Alliierten. Sie trieben die Deutschen aller Altersstufen in menschenverachtender Hartherzigkeit aus dem Land, was ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war und deswegen nicht vergessen werden darf.

Bei der Verfasserin, die damals ein fünfjähriges Kind war, hat dieser unmenschliche Vorgang bleibende Eindrücke hinterlassen. Daher schildert sie hier exemplarisch für alle Vertriebenen aus Eger ihre Erlebnisse:

"Am Nachmittag des 30. Mai 1945 brachte ein Tscheche einen Zettel. Danach begann meine Mutter in einer Art und Weise zu weinen, wie ich dies zu ihren Lebzeiten nie mehr erlebt habe.

Heute weiß die Verfasserin, der Tscheche hatte den Vertreibungbefehl gebracht."

Darauf stand:

"Sie sind zum Transfer in ihre Heimat (d.h. heim ins Reich) bestimmt worden und haben am 31. Mai 1946 um 8 Uhr an der Straße vor ihrer Wohnung zu stehen.

Mitnehmen können Sie: 2 Decken, 4 Wäschgarnituren, 2 Arbeitsanzüge, 2 Paar Arbeitsschuhe, 1 Arbeitsmantel (Winterrock), 1 Eßschale, 1 Tasse, 1 Eßbesteck, 2 Handtücher und Seife, Nähzeug, Lebensmittelkarten, amtliche Personenausweise und Dokumente, Gegenstände des persönlichen Bedarfs, einige unverderbliche Lebensmittel.

Das Gesamtgewicht darf pro erwachsene Person 50 kg nicht überschreiten."

Sämtlicher Schmuck, Wertgegenstände, Geld sowie Einlagebücher (außer Reichsmark) sind an der Sammelstelle abzugeben, wobei eine mit Namen versehene Liste beizulegen ist.

Mitgenommen werden dürfen: Amtliche Personenausweise und Dokumente sowie eine kleine Menge Lebensmittel als Verpflegung.

Alle Türen sind abzusperren und die mit Namen und Anschrift versehenen Schlüssel an der Sammelstelle abzuliefern.

Der Haushaltsvorstand hat beiliegende Papierstreifen zu unterschreiben und die Schlüssellöcher damit zu überkleben.

Zurückzulassendes Eigentum darf nicht verschenkt, verkauft oder verborgt werden.

Das Nichtbefolgen der Anordnung wird bestraft." (Information aus der Ausstellung ODSUN)

Die Familie der Verfasserin war am 8. April 1945 ausgebombt worden. Nun mußte auch noch das wenige Gerettete zurückgelassen werden.

"Teddybär oder Puppe", hat die Mutter gesagt. Wie schwer fällt es mir, den geliebten Bären zurückzulassen. Mein "Warum" und "Wohin" beantwortet sie mit: "Ich weiß nicht." An ihrem Packen unter Tränen und ihrem mir fremden Verhalten merke ich ihre völlige Hilflosigkeit. Ich habe Angst. Zum ersten Mal kann Mutter nicht helfen. Obwohl ich nicht begreife, was uns bevorsteht, spüre ich das Bedrohliche, die Ausnahmesituation.

Am nächsten Morgen stehen wir pünktlich an der Straße. Zwei Kleider übereinander, Wintermantel, Winterschuhe, ein Sack mit den erlaubten Dingen aus unserem Eigentum, das uns nicht mehr gehört. Ich frage nichts mehr. Angst macht mich stumm und die Sorge um meinen Bären. Werden sie ihn gut behandeln?

Da sehen wir sie kommen. Die Nürnberger Straße stadteinwärts. Kinder, Frauen, alte Männer. Langsam kommen sie, schweigend, wie eine dunkle Wand, die Breite der Straße füllend. Junge Rotgardisten mit Peitschen am Straßenrand, Haß in den Augen, Haß in der Sprache, die ich nicht verstehe. Ich klammere mich an Mutter. Wir reihen uns ein. Die Peitschen knallen und zischen wie Schlangen über die Köpfe. Mutter steckt mich schützend in ihren offenen Mantel. Angst! Pflaster unter den Füßen. Gschierstraße. Endlos der Weg. Die schwarzen Stiefel vor mir gehen immer langsamer. Der Abstand zu ihnen wird immer kleiner. Die Getriebenen rücken näher zusammen. Stillstand der Kolonne. Mutter holt mich aus ihrem Mantel und umfaßt mit festem Griff meine Hand. Nur jetzt nicht getrennt werden. Wortlose Stille. Langsames Weiterschieben. Hinein in den dunklen Schatten, beklemmende Enge. Durch das rundbogige Tor in der Mauer der Kosterschule, Katzenkopfpflaster. Kaum Luft zum Atmen. Eindrücke, die nie mehr verwischen. Im Hof der Lehrerinnenbildungsanstalt Menschen an Menschen. Frauen und Kinder da hin, heißt es. Männer in eine andere Richtung. Alte Leute werden getrennt. Schreien, Zusammenklammern, haßerfüllte fremde Sprache. Mutter findet ein Plätzchen. Wir kauern uns auf den Erdboden. Stundenlang. Mein Bär, mein Bär.

Da werden wir aufgerufen. Mit unserem Sack steigen wir die wenigen Treppen zum Eingang des Gebäudes hinauf. Die Tür ist offen. Ein Pfeil zeigt den Weg. Mutter liefert alles vorschriftsmäßig ab und bekommt einen Zettel, auf dem die Nummer des Viehwaggons steht, in dem wir abtransportiert werden. Zurück auf den Flur. Zwei Türen weiter. Ein großer Saal. Glänzender Parkettfußboden, Tische an den Wänden entlang. Dahinter Frauen, die ich nicht verstehe. Berge von Bettwäsche auf den Tischen. Mutter zieht mich hinter sich her zu einem Stuhl. Leibesvisitation. Wir müssen uns ausziehen. Ganz nackt. Noch nie hatte ich Mutter so gesehen. Nackt müssen wir den Sack zu einem Tisch bringen. Haßerfüllte Frauenaugen schauen uns an. Mutter legt alles auf den Tisch. Zitternd vor Angst, Schmerz, Scham, Wut. Die Tschechin durchwühlt unsere Dinge. Nichts nimmt sie weg. Sie keift Mutter an. Warum? Mutter versteht die schreckliche Sprache nicht. Da hebt die Tschechin die Hände und spreizt die Finger. Mutter versteht. Sie gehorcht. Der Ehering. Gold! Mit hämischem Lachen zieht die Diebin den Ring vom Finger. Mutter schweigt. Eine Wunde, die offen mit ins Grab ging. Sie kann wieder einpacken.

Am Nachbartisch legt eine Nackte ohne Kind ihr Mitgenommenes auf. Plötzlich bedrohliches unverständliches Geschrei. Ich zucke zusammen. Ein kleines Schmuckkästchen war in einem Kissen versteckt. Die Tschechin schüttet den Inhalt auf den Boden. Ringe rollen über das Parkett, die Kette zerreißt. Die Tschechin brüllt, doch die Deutsche versteht nicht. Sie soll den Schmuck wieder einsammeln, sagen die Gesten. Auf Knien rutschend sucht die Nackte jede Perle und legt sie in das Kästchen zurück. Mit verschränkten Armen und höhnischem Blick beobachtet die Tschechin die Erniedrigte. Dann winkt sie die Deutsche heran, geifert ihr etwas ins Gesicht und reißt ihr das Kästchen aus den Händen.

Mutter hat sich unterdessen angezogen. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Sie ruft mich zur Ordnung und hilft beim Ankleiden. Angst, unsagbare Angst vor diesen Augen, vor dieser Sprache, vor diesen Menschen.

Wir treten wieder in den Hof hinaus. Inzwischen ist es dunkel geworden. Die angrenzenden Gebäude sind mit Menschen überfüllt. Auch der Hof ist voller Leute. Wieder zieht mich Mutter hinter sich her und findet unter einem Balkon ein Plätzchen für die Nacht."

Hier endet das Erinnerungsvermögen der Verfasserin.

Offensichtlich konnte sie nicht mehr ertragen. Nach den Erzählungen ihrer Mutter begann sie plötzlich zu schreien und war durch nichts zu beruhigen. Stundenlang brüllte sie aus Leibeskräften, bis sie erschöpft einschlief. Am nächsten Vormittag wurden die Deutschen durch die Stadt zum Bahnhof getrieben. Schwache und Kranke brachten Lastautos dort hin. Auch die Mutter der Verfasserin wurde mit dem Lastwagen befördert, weil die Verfasserin wie ohnmächtig schlief und nicht aufzuwecken war. Sie merkte weder das Aufladen im Klosterhof noch das Ausladen am Bahnhof. Auch das Einwaggonieren, bei dem immer 30 Personen und ihr Gepäck wie Vieh in einen Waggon gepfercht wurden, bekam sie nicht mit. Lange dauerte es, bis 40 Waggons gefüllt waren. Ein lauter Schlag holte sie in die Realität zurück. Die Waggontür wurde zugeschlagen und verplombt.

"Gebettet auf gestapelten Koffern, Taschen und Säcken liege ich im Viehwaggon. Logenplatz 1. Rang beim Abtransport. Mutter sitzt auf dem Boden, im Parkett. Sonnenlicht fällt durch die Ritzen der Wände und zeichnet helle Striche auf Gepäckstücke und Menschen. An der Tür stehen einige alte Männer. Es ist totenstill. Ich wage keinen Laut von mir zu geben. Da geht ein Ruck durch den Zug. Langsam setzt er sich in Bewegung. Das Tak-tak wird gleichmäßiger und schneller. Der Zug fährt. Aber wohin? Niemand weiß es. Die alten Männer an der Tür versuchen durch die Ritzen zwischen den Brettern die Gegend zu erkennen. Es dauert lange. Nur der Zug spricht. Dann sagt einer: "Es geht nach Bayern." "Gott sei Dank!" Allgemeine Erleichterung. Ich verstehe nicht, was das heißt. Nach einiger Zeit fährt der Zug langsamer und bleibt schließlich stehen. Stimmen außen am Waggon. Laute Geräusche an der Tür. Ich habe Angst. Ich rolle mich zusammen und lasse die Tür nicht aus den Augen. Die Männer treten einen Schritt zurück. Sie wird geöffnet. "Bayern, Gott sei Dank, Bayern".

Nach kurzer Zeit fährt der Zug mit offener Tür langsam weiter. An meiner "Loge" rollt der "gelbe" Bahndamm vorüber, bedeckt mit Zehntausenden gelber Armbinden, dem Stigma der Deutschen. Die Menschen im Waggon ziehen sich die verhaßten Binden vom Ärmel und werfen sie hinaus. Wortlos die einen, mit Verwünschungen die anderen. Mutter steht auf, streift ihre Armbinde ab, kommt zu mir herüber und sagt: "Die behalte ich. Die ist ein Dokument." Langsam steckt sie das Beweisstück in die Manteltasche. Der Zug hält. Aussteigen. "Wiesau in Bayern", sagen die alten Männer, "Amerikanische Zone, Gott sei Dank!"

Bayern war für diesen Transport aber nur das Durchreiseland, denn sein Ziel war Fulda in Hessen. Dort verteilte man die Vertriebenen auf verschiedene Ortschaften. Die Verfasserin und ihre Mutter kamen mit einigen Waggons nach Besse. Die Bauern in diesem Dorf wollten aber keine Vertriebenen haben. Daher öffneten sie ihre Türen nicht. Schließlich ließ der Bürgermeister im Tanzsaal Stroh aufschütten, damit die Verjagten wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten.

Ab diesem 1. Juni 1946 hatte die Verfasserin keine Heimat mehr, kein Bett, nichts zu essen. Auch ihren Bären hatten ihr Beneš und die Seinen geraubt, weil sie an der nationalsozialistischen Okkupation der Tschechoslowakei 1938 und an der nachfolgenden Gewaltherrschaft schuld sein sollte.

Schuld bis heute, weil sie eine Deutsche ist, obwohl sie 1938 noch nicht einmal geboren war. Schuld bis heute, denn die völker- und menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete, die auf der Kollektivschuld der Deutschen fußen, sind laut einer einstimmigen Erklärung (24. April 2002) des tschechischen Parlaments und des damaligen Staatspräsidenten Václav Havel "unantastbar" und "unveränderbar".

 

3.2 Die Vertreibung in die sowjetische Besatzungszone (31. Mai 1946 bis 18. Oktober 1946)

Die Modalitäten des "Transfers" in die sowjetische Besatzungszone wurden am 3. und 4. Mai 1946 in Berlin und am 1. Juni in Prag (Praha) festgelegt.

Die Vertreibung per Schiff in die Sowjetzone begann am 31. Mai 1946. Dazu waren 12 Elbeschiffe im Einsatz.

Per Bahn schaffte man Sudetendeutsche in 700 Transporten vom 10. Juni bis 18. Oktober 1946 über die Grenze. Innenminister Václav Nosek teilte Ende Oktober 1946 in der Nationalversammlung mit, daß 750.000 Sudetendeutsche in der sowjetischen Besatzungszone aufgenommen worden waren. Während sämtliche Transporte aus der Tschechoslowakei in die amerikanische Zone genauestens aufgelistet wurden, liegen über die Transporte in die Sowjet-Zone keine dedaillierten Aufzeichnungen vor.

3.3 Abschlußbericht der sog. "geregelten" Vertreibung im tschechoslowakischen Parlament

Nach Information aus der Ausstellung "ODSUN – Die Vertreibung der Sudetendeutschen" (Sudetendeutsches Archiv, München) listete Innenminister Václav Nosek am 1. November 1946 den "geregelten Transfer" der Sudetendeutschen, die Beneš aus ihrer Heimat "hinaus-liquidieren" ließ, in seinem Abschlußbericht in nüchternen Zahlen auf.

Demnach wurden in der Zeit vom 25. Januar bis zum 1. November 1946 aus der deutschen Volksgruppe 2.170.598 Menschen abgeschoben.

1.420.598 in die amerikanische Zone, 750.000 in die Sowjetzone.

Für den Transport waren eingesetzt:

1.646 Züge, 67.748 Waggons, 6.580 Lokomotiven, 4 Lazarettzüge, 960 Lastkraftwagen und

12 Schiffe.

Damit war für die tschechoslowakische Regierung und den allergrößten Teil der Tschechen das Ziel erreicht.

Man hatte sich den Besitz der Deutschen widerrechtlich angeeignet und diejenigen, die diesen in Jahrhunderten auf einem Areal von 27.000 qkm erarbeitet hatten, unter dem unhaltbaren Vorwurf der Kollektivschuld in "ordnungsgemäßer und humaner Weise" aus dem Land gejagt.

 

 

 

4. Die Vertreibung der sudetendeutschen Sozialdemokraten

Nachdem der Abtransport der Sudetendeutschen begonnen hatte, ersann die tschechoslowakische Regierung eine erneute Diskriminierung für die sudetendeutschen Antifaschisten, die gegen Hitler gekämpft und daher die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nach Dekret Nr. 33 (siehe unter Dekrete) nicht verloren hatten.

Am 25. Januar 1946, dem Tag, an dem der erste Vertreibungstransport die Tschechoslowakei verlassen hatte, entzogen die vier Parteien der "Nationalen Front" diesem Personenkreis das Wahlrecht.

Die Nationale Front setzte sich aus vier Parteien zusammen:

Aus der Verweigerung des Wahlrechts mußten die sudetendeutschen Antifaschisten eindeutig entnehmen, daß für sie in der "ethnisch gesäuberten" Republik eine eigenständige Existenz in der Zukunft nicht möglich sein würde, da auch sie unter den genannten Verordnungen und diskriminierenden Maßnahmen zu leiden hatten, von der sog. "wilden" Vertreibung betroffen waren sowie in Internierungs- und Arbeitslager eingewiesen worden waren.

Der Entzug des Wahlrechts sollte die freiwillige Ausreise der Antifaschisten nach sich ziehen, damit der tschechoslowakischen Regierung nicht vorgehalten werden konnte, auch die Hitlergegner zu vertreiben.

Verbittert und tief enttäuscht vom Undank der Regierung der Tschechoslowakei, für deren Fortbestehen sich die Antifaschisten eingesetzt hatten und weswegen sie zu einem großen Teil von den Nationalsozialisten interniert worden waren, entschlossen sie sich, die nationalistische Heimat zu verlassen, in der man sie als Hitlergegner nicht haben wollte, weil sie Deutsche waren.

Durch die Initiative Alois Ullmanns, eines ehemaligen Funktionärs der Deutschen Sozialdemokratischen Partei aus Aussig (Ústi), der von 1939 bis 1945 im KZ Dachau interniert gewesen war, konnten nach einem Beschluß der tschechoslowakischen Regierung vom 15. Februar 1946 ausreisewillige Sozialdemokraten die Tschechoslowakei verlassen.

Die Schikanen und die schleppende Arbeitsweise der Behörden im Land verzögerten aber den Abtransport in Güterzügen, bei dem sich vier Familien einen Waggon teilen mußten und Wertsachen nicht mitgenommen werden durften. Daher verließen mehrere die Tschechoslowakei mit Lastautos, wofür sie bezahlen mußten.

Trotzdem ist es der "Aktion Ullmann" gelungen, rund 82.600 Personen nach Westdeutschland zu überführen.

Auch Ullmann selbst verließ dieses Land und betreute in Bayern bis Ende 1946 aus der Tschechoslowakei vertriebene Sozialdemokraten. Nach 1946 arbeitete er als Geschäftsführer des Verlags "Die Brücke", war geschäftsführender Vorsitzender der "Seliger-Gemeinde", einer Organisation sudetendeutscher Sozialdemokraten in der Bundesrepublik, und Mitglied des Sudetendeutschen Rates. Am 6. Mai 1957 ist er in München verstorben.

Etwa 30.000 sudetendeutsche Sozialdemokraten mußten nach Einstellung der Transporterlaubnis in der Tschechoslowakei bleiben und waren den gleichen Unterdrückungen ausgesetzt wie die als "Spezialisten" zurückgehaltenen Sudetendeutschen, die man nicht vertrieb, weil man mit ihnen den Wirtschaftsprozeß aufrechterhalten wollte, was trotzdem nicht gelang.

Die Gesamtzahl der in der Tschechoslowakei zurückgebliebenen Deutschen betrugt ca. 200.000 (Fritz Peter Habel, die Sudetendeutschen, München 1998).

 

5. Die Vertreibung der sudetendeutschen Kommunisten

Sämtliche 30.000 sudetendeutschen Kommunisten konnten bereits ab Herbst 1945 in die sowjetisch besetzte Zone ausreisen (nach Schieder).

 

Schlußbemerkung

Ende November 1946 war die völkerrechtswidrige Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei abgeschlossen.

3.000.400 Deutsche waren während der sog. "wilden" und der sog. "geregelten" Vertreibung aus dem Land gejagt worden (ODSUN, Ausstellung).

241.000 Deutsche haben Internierung, Flucht und Vertreibung nicht überlebt, sich aus Verzweiflung das Leben genommen oder gelten als vermißt (Alfred Bohmann).

Beneš war nach dem Ende der Vertreibung zufrieden. Er hatte sich den langersehnten Wunsch einer national weitgehend homogenen Tschechoslowakei erfüllt und einen Nationalstaat für Tschechen und Slowaken geschaffen.

Dieses Glücksgefühl brachte er am 24. Dezember 1946 in seiner Weihnachtsansprache zum Ausdruck:

"Die diesjährigen Weihnachten bekamen eine besondere Bedeutung, einen eigenen Charakter dadurch, daß wir sie in unserem Vaterland zum ersten Mal ohne die Deutschen feiern. Das ist ein Ereignis, auf dessen unermeßliche historische Bedeutung ich schon mehrmals hingewiesen habe...Mit dieser Tatsache wurde eines der großen Kapitel unserer Vergangenheit liquidiert." (ODSUN, Ausstellung)

Der amerikanische Völkerrechtler, Alfred M. de Zayas (Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, Frankfurt/M, Berlin 1996), bezeichnet die Vertreibung der Sudetendeutschen als Völkermord, da sie sämtliche Merkmale aufweise, die nach der UNO-Konvention von 1948 Völkermord kennzeichnen.

Diese sind:

körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen

Felix Ermacora, der europaweit bekannte Professor für Menschenrechte, stimmt in seinem Buch "Die sudetendeutschen Fragen" (München 1992) mit Alfred M. de Zayas überein. Auch er nennt die Vertreibung der Sudetendeutschen Völkermord, da die eindeutige Absicht bestand, die Volksgruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Gleichzeitig weist er die Vorgänge der Vertreibung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus.

Nach der Resolution 2391 (XXIII) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 26. 11. 1968 verjähren Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht. Die Tschechoslowakei ist dieser Konvention am 13. 08. 1970 beigetreten. Seit dem 11. 11. 1970 ist dieser Vertrag rechtskräftig.

Die Vertreibung der Deutschen hat das Gesicht der Tschechoslowakei nicht nur äußerlich und im nationalen Sinn verändert, sondern auch im sozialen. In keinem anderen Vertreiberstaat Ostmitteleuropas ist die Entrechtung, Enteignung und Vertreibung der Deutschen so eindeutig Schrittmacher des Kommunismus gewesen wie in der Tschechoslowakei, die Beneš schon während des Krieges mit der Zustimmung Stalins zur Vertreibung der Deutschen den Kommunisten ausgeliefert hatte und deren Bevölkerung als einzige eines Ostblockstaates bei der ersten freien Nachkriegswahl die Kommunisten gewählt hat. (nach Schieder)

Beneš ist, laut Alfred M. de Zayas, durch die Vertreibung der Deutschen nicht als weiser Staatsmann in die internationale Geschichte eingegangen, sondern als ein menschenverachtender Gewaltpolitiker. Er hat seinem Volk eine Hypothek hinterlassen, mit der es anscheinend nicht fertig wird.

Am 24. 02. 2004 wurde im Prager Parlament mit 118 von 183 Stimmen ein Gesetz verabschiedet, das Beneš posthum ehrt.

Es lautet: "Edvard Beneš hat sich um den Staat verdient gemacht".

 

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