Der Volkstag in Eger

11. Juli 1897

Edith Bergler, Bayreuth

 

 

Der übergebietliche Volkstag in Eger war auf den 13. Juni 1897 angesetzt. Er war die Reaktion auf die Badenischen Sprachenverordnungen, die eine systematische Tschechisierung Deutsch-Böhmens zum Ziel hatten und ein Angriff auf das Deutschtum in Böhmen waren (siehe unter: Badenische Spachenverordnung 1897)

Der Volkstag sollte eine Demonstration des Deutschtums in Böhmen sein und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutsch-Böhmen stärken.

Er konnte aber am 13. Juni nicht stattfinden, denn die österreichische Regierung, deren Ministerpräsident der polnische Graf Kazimir Felix Badeni war, hatte ein Versammlungsverbot ausgesprochen, nachdem die deutsch-böhmischen Abgeordneten des Reichrats die Gemeinden aufforderten, bis zur Aufhebung der Badenischen Sprachenverordnungen zu streiken.

Deswegen wurde für diesen übergebietlichen Volkstag der 11. Juli 1897 als neuer Termin festgelegt. Aber auch an diesem Sonntag wurde die Versammlung in Eger von der k.k. Bezirkshauptmannschaft in Eger verboten.

Die fadenscheinige Begründung des Verbots lautete, daß bei 74 eingeladenen Abgeordneten, Bezirksobmännern, Bürgermeistern und Gemeindevorstehern aus Deutsch-Böhmen die Veranstaltung keinen privaten Charakter mehr habe.

Obwohl sich Bürgermeister Dr. Anton Julius Gschier persönlich an Graf Coudenhoven, den Statthalter Böhmens, gewandt hatte, blieb das Verbot bestehen. Doch der Abgeordnete Dr. Alois Funke bestand auf der Einhaltung des Termins.

Daher wurden von der k.k. Bezirkshauptmannschaft in Eger hinter dem Rücken der Stadtverwaltung 50 Gendarmen und alle verfügbaren Männer der Finanzwache aus der nächsten Umgebung nach Eger geholt, das Militär der Egerer Garnison in Bereitschaft gehalten und 50 berittene Polizisten von Prag nach Eger beordert.

Bürgermeister Gschier erfuhr davon erst, als er vom Bezirkshauptmann aufgefordert wurde, Quartiere bereitzustellen. Sein Hinweis auf die Gesetzeswidrigkeit der angeordneten Einquartierung ließ die ungebetenen Gäste jedoch nicht weichen.

Trotzdem fand der Volkstag am 11. Juli wie folgt statt:

Die Reichs- und Landtagsabgeordneten trafen sich im Stadthaus am Marktplatz mit Vertretern der deutsch-böhmischen Bezirksvertretungen und Gemeinden zu einer Besprechung.

Danach begaben sie sich unter dem Jubel der Blumen werfenden Bevölkerung zum Schützenhaus an der Eger, wo der Volkstag stattfinden sollte.

Dort wurde ihnen aber der Eintritt durch Gendarmerie und bewaffnete Finanzwache verwehrt. Folglich verlegte man die Versammlung unter freien Himmel in den Hof des Stadthauses, während die Bevölkerung auf dem Marktplatz wartete. Nachdem die Sicherungsmannschaften die Zusammenkunft im Stadthaus nicht verhindern konnten, versuchten sie die Menschen in brutaler Weise vom Marktplatz zu vertreiben.

Bürgermeister Dr. Gschier gebot diesem Treiben Einhalt und forderte die Bevölkerung auf, den Marktplatz zu verlassen. Dies geschah dann auch in disziplinierter Weise. Danach riegelten die Sicherungsmannschaften alle Zugänge zum menschenleeren Marktplatz ab.

Am Ende der Versammlung im Stadthaus wurde dem k.k. Bezirkshauptmann der feste Entschluß mitgeteilt, den Volkstag abzuhalten, den nur Gewalt verhindern konnte.

Gegen Mittag versammelten sich auf der Krämlingsbastei zahlreiche Tagungteilnehmer, die in Trinksprüchen die Vorkommnisse vom Vormittag wieder aufleben ließen.

Nachmittags besuchten sie zusammen mit vielen Egerern und Egerländern die bayerische Grenzstadt Waldsassen. Hier trafen sie mit zahlreichen Bewohnern der Stadt und des Umlandes zusammen.

Aber auch im bayerischen Waldsassen ließ die österreichische Regierung durch das kgl. bayer. Bezirksamt von Tirschenreuth die deutsch-böhmische Versammlung verbieten, da diese nicht ordnungsgemäß angemeldet worden war.

Ungeachtet dessen sprachen mehrere deutsch-böhmische Abgeordnete auf dem Kirchplatz zu einer großen Menschenmenge.

Die Redner brachten zum Ausdruck, daß sich die Deutschen in Böhmen in ihrem Sprachenkampf als Vorposten der gesamten deutschen Nation fühlten, man nicht aus Angst vor der Polizei nach Waldsassen ausgewichen sei, sondern mit dem Besuch die Gemeinschaft aller Deutschen zum Ausdruck bringen und die Deutschen im Reich darüber unterrichten wolle, wie es den Deutschen in der Ostmark ergehe und mit welchen Gewaltmitteln sie unterdrückt würden.

Im Laufe des Nachmittags entwickelte sich dann in Waldsassen ein unvorbereitetes, aber vielleicht gerade deshalb sehr begeisterndes und eindrucksvolles Grenzverbrüderungsfest, wie es schon am 21. März 1848 mit Wunsiedel in Eger gefeiert worden war.

Die Freude über diesen Nachmittag verflog aber sehr schnell bei denjenigen Teilnehmern, die mit dem Zug nach Eger zurückgefahren waren, denn am Bahnhof warteten Gendarmen auf sie.

In abgesprochener Weise ließen diese die Menge passieren und folgten ihr. Gleichzeitig wurden von Wachmannschaften die Spaziergänger vom Marktplatz in die Bahnhofstraße gegen die Angekommenen gedrängt. Dadurch entstanden Unruhe und Lärm. Sofort drang in den Nebenstraßen bereitstehendes Militär im Laufschritt und mit gefälltem Gewehr auf die Menge ein, unterstützt von der berittenen Prager Polizeitruppe, die bei den Egerern den Spottnamen "Badeni-Husaren" hatte.

Diese gingen scharf gegen die Leute vor, drängten sie mit den Pferden zurück und hieben mit Säbeln ein. Schimpfworte wie "deutsche Hunde" und "deutsche Bagage" begleiteten ihr Wüten. Verhaftete und zahlreiche Verletzte, von Säbel- und Kolbenhieben wund und blau geschlagen, waren das Ergebnis des eigenartigen Empfangs der Hüter von Ruhe und Ordnung.

Die Badeni-Tage in Eger fanden ein lautes und vielfältiges Echo in ganz Österreich-Ungarn sowie im Ausland. Deutlicher hätte die von Badeni geführte österreichische Regierung nicht zeigen können, daß sie die Freiheit der deutsch-böhmischen Bürger mit Füßen trat und es ihr nur darum ging, die natürliche Behauptung einer durch Jahrhunderte mit ihrer Heimat verwurzelten Bevölkerung zu beschneiden.

Dies gelang jedoch nur scheinbar, denn die Egerer baten den Historiker und Dichter Felix Dahn, den tiefen Sinn dieses Egerer Volkstags in einen Spruch zu fassen.

Felix Dahn schrieb:

Das höchste Gut des Mannes ist sein Volk.

Das höchste Gut des Volkes ist sein Recht.

Des Volkes Seele lebt in seiner Sprache.

Dem Volk, dem Recht und seiner Sprache treu

Fand uns der Tag, wird jeder Tag uns finden!

Diese Worte fanden im Hof des Egerer Stadthauses auf einer an der Mauer angebrachten Tafel ihren Platz.

Während der Zeit der Zugehörigkeit Egers zur 1. Tschechoslowakischen Republik (1918-1938) mußte diese überdeckt werden, weil die Worte als "staatsfeindlich" galten.

Nach Kriegsende 1945 wurde die Tafel zertrümmert.

In Stein gehauen kann man diese Worte nun am Rathaus von Marktredwitz lesen, das 475 Jahre (1341-1816) zu Eger gehört hatte.

Deswegen ist Marktredwitz heute die Hauptstadt der vertriebenen Egerländer, in der das Egerland-Kulturhaus steht, das Egerland-Museum beheimatet ist, die Egerland-Tage der vertriebenen Egerländer stattfinden und ein herrlicher Egerland-Brunnen nach dem Entwurf von Hatto Zeidler zu bewundern ist.

 

Literatur:

Sturm, Heribert: Eger – die Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951

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