Unser Egerland, 37. Jahrgang, 1933, Seite 109 ff.

Der Winterkönig in Waldsassen und Eger
von Dr. Rudolf Langhammer

Am 20. März 1619, inmitten der böhmischen Ständerevolution, die am 23. Mai 1618 durch den Prager Fenstersturz eingeleitet worden war, starb Kaiser Matthias. Ferdinand II., bereits gekrönter König von Böhmen und Ungarn, übernahm unter mißlichsten Verhältnissen die Herrschaft der österreichischen Länder. Die böhmischen Stände waren aber nicht im geringsten geneigt, seine Regierung anzuerkennen.

Während Ferdinand II. am 28. August 1619 mit sechs von den sieben kurfürstlichen Stimmen zum deutschen Kaiser gewählt wurde, war zwei Tage vorher, am 26. August, in Prag der Kurfürst, der ihm als einziger seine Stimme verweigert hatte, Friedrich V. von der Pfalz, zum böhmischen König erhoben worden. Ferdinand II. war am 22. August als "Feind der religiösen und ständischen Freiheit" abgesetzt worden.

Die Wahl des Hauptes der Union war kein glücklicher Griff. Der junge Pfälzer war ein unerfahrener und unfähiger Fürst, den der Glanz der böhmischen Krone lockte und die Hoffnung auf die Mithilfe der Union trieb, diese Wahl anzunehmen. Sein Schwiegervater Jakob I. von England war mit dieser Wahl ganz und gar nicht einverstanden. Aber seine Gemahlin Elisabeth drängte ihn zu diesem Abenteuer. Ihr wird die Äußerung zugeschrieben: "Hatte er das Herz, eine Königstochter zu heiraten, so soll er auch ein Herz fassen, ein Königreich anzunehmen. Ich will lieber mit dem Könige Sauerkraut als mit dem Kurfürsten Gebratenes essen." Sie erklärte ihrem Gemahl, daß sie bereit sei, an seiner Seite auszuharren und im Notfalle alle Kleinodien und was sie sonst auf der Welt hätte, einzusetzen.

Als Friedrich V. von Heidelberg wegritt, soll seine Mutter gesagt haben: "Nun geht mein Sohn fort und trägt die Pfalz nach Böhmen."

Friedrich bemühte sich auf alle mögliche Weise, große Geldsummen zum Kriegführen aufzubringen. Weil die eigenen Mittel und Einnahmen nicht reichten, verkaufte er Güter des Stiftes Waldsassen, so die fünf Seidlersreuther Teiche, ferner die Kornthaner und Voitenthaner Teiche und borgte noch dazu von den Untertanen, Städten und Märkten des Stiftes Waldsassen die große Summe (die Tirschenreuther Summe nicht mitgerechnet) von 12 730 fl.

Friedrich kam auf seiner Reise nach Prag auch nach Waldsassen, wo er mit seiner Gemahlin im sog. "Neuengebey" (an dessen Stelle heute das Schulhaus für Knaben steht) wohnte.

An diesem Hause ist jetzt folgende Inschrift angebracht:
"An dieser Stelle stand früher des sogenannte 'Neue Haus'. In diesem wohnte Friedrich V. von der Pfalz, später genannt Winterkönig, als ihm 1619 die Krone Böhmens von den böhmischen Gesandten angetragen wurde und er in die Annahme derselben einwilligte."

In seinem Gefolge waren 569 Personen mit mehr als 100 Packwagen.

In der von Kaspar Wolfgang Marckl, dem Egerer Ratskanzlisten, verfaßten "Stadt- und Landchronica von Anno Christi 1134 biß 1700 inclusive" finden wir folgenden Bericht (Egerer Stadtarchiv, G 12, fol. 256 ff. Diese Chronik wurde am 16. Mai 1732 dem Rate überreicht. Nach dem Ausgabebuch der Stadt Eger für 1731 fol. 21 erhielt der Verfasser 150 fl Honorar):

"Den 16. Octobris seynd die Böhmische, Schlesische, Mährische und Laußnitzische (Lausitzische) Herren Gesandte alhier (Eger) angekommen und uf Ihren angenommenen König Friedrich gewarttet.

Den 21. Dito seynd 52 Rüstwagen mit Pagage (angekommen), dem Neuen König zugehörig, welche Rittmeister Caspar von Schirnding mit 1 Cornet und 110 Roß Curassirn Reutter convoiret.

Den 22ten dießes hat E. E. (ein ehrbarer) Rath alhier seine Abgesandte als Herrn Adam Junckern, Herrn Andreaßén Crahamern (Chramer), Beide Bürgermeister, und Herrn Georg Ludwig, Syndicum, nach Waldsassen zum König Friedrich abgeferttiget, denselben zu empfangen, und haben zwey Fuder Habern, vier Vaß Wein, ein Faß Meth, zwo Lagel (Lägel, in den Alpenländern ein faßähnliches Holzgefäß mit ovalem Boden zum Transport von Flüssigkeiten, Fischen u. a.; auch Weinmaß, besonders im Kanton Tessin ...; ital. lagena ...) Malvasier, drey wilde Schwein, zwey Rehe, zwei Haaßel Hüner, zwey Auerhaanen, 1 Schock Forellen, 1 Schock Karpfen und 1/2 Centner Hecht praesentiret und verehret, welches der König in gnaden angenommen und sich gegen die Abgesandte gnädig bedancket mit Erbiethen: Es wolle solches gegen gemeine Stadt (Eger) in allen Gnaden erkennen.

Am 23. Octobris seynd die Ständischen Gesandten sammentl. von hier auß (Eger) nacher Waldsassen zu ihrem König gereißet, denselben empfangen, angenommen, gratuliret und nach getaner Proposition mit demselben in die Kirche gegangen, dann nach verrichten Gottesdienst mit Ihrem König Taffel gehalten, da (hat) der König abermahl der Stadt Eger in Gnaden gedacht, die präsent gerühmet mit gnädigem Erbietten: Er wolte solches in Gnaden erwegen, mit dem Beisacz: Man müsse die Stadt Eger noch wohl passiren lassen.

Eben dises Tages seynd des Königs 24 Leibroß nebst der Königin Cammer-Wagen, so 70 000 fl soll gekostet haben, neben drei Rüst-Wägen, darauf das Gezeug zu des Königs Maarstall gehörig allhier wie auch Rittmeister Hannß Ott von Schaumburg mit einem Cornet Arquebousire Reuttern 100 Roß stark angekommen.

Freytag den 24. dito frühe seynd obgemelte Böhmische, Schleßische, Mährische und Laußnitzische H. H. Abgesandte sambt und sonders mit ihrer Reutterey und ganzen bey sich gehabten Gefolge von hier Ihrem König biß zur Rothen Marter (Auf der Straße von Eger nach Waldsassen zur rechten Hand hinter der Eisenbahnbrücke) entgegen gereißet, alda von Ihren Roßen und Wagen abgestiegen, Ihne sambt dessen Gemahlin empfangen und angenommen, alßdann der König herein und durch die Stadt stracks ohne absteigen durchgefahren, deme die obige Abgesandte concomitiret (gefolget); die allhießige Bürgerschaft von Ochßengraben an (?) biß durch die ganze Stadt zwo Fahnen, wie auch das neue geworbene Fähnlein Soldaten mit ihrer schönen Montur, ober- und untergewöhren, wohl gebuczet, uf beyden Seithen oder Reihen und langeten biß zum eusersten Scheff-Thurn (Schifftor), durch welche der König und der ganze kgl. Comitat in schöner Ordnung gezogen seynd. In wehrend kgl. Durchzug ließe man in der Stadt auf allen Pasteyen, Thürnen, Wällen und Wöhren alte Stücke (schwere Geschütze) zum offtern mahlen und so weit man den König hat fahren sehen, zum Salve losgehen, so habe auch die Bürgerschaft auß ihren Musqueten braf gefeuert, welches dem Könige sehr wohl gefallen. (K. Siegl, Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten, S. 68: "Im Hause des Bürgermeisters Crahmer ((Nr. 1, Eckhaus des Marktplatzes und der Steingasse) wurde er mittags bewirtet und nachmittags verließ er die Stadt.")

Wie nun der König zu Culsamb (Kulsam) ankommen, hat der Craiß Elbogen, die Ritterschaft und Stände durch ihren Ausschuß denselben (den König) angenommen und weither begleithet."

Bei der Einholung des Königs waren in den ersten drei Wagen die Vertreter der der böhmischen Stände, im vierten waren die mährischen Abgesandten, im vierten waren die schlesischen, im sechsten die der Oberlausitz, im siebenten die der Niederlausitz, im achten etliche Adelige, die mit den Abgesandten gekommen waren.

An allen größeren Orten, die der König berührte, wurde ihm ein festlicher Empfang bereitet; am glänzendsten ging es dort zu, wo er übernachtete. In der Stadt Saaz, einem dieser Haltepunkte, begrüßte ihn die Bürgerschaft durch ihren Stadtschreiber (Amtsdirektor) mit einer feierlichen Anrede, während für die Frauen, die sich bei der Königin zu demselben Zwecke einfanden, ein junger Schullehrer, den man in weibliche Kleidung gesteckt hatte, das Wort führte.

Am 31. Oktober gelangte der König frühmorgens vor Prag in dem Tiergarten, Stern genannt, an. Vor dem Schlosse, das diesen Tiergarten ziert, harrte des Königs ein großer Teil des böhmischen Adels, viele Abgesandte aus den böhmischen Nebenländern und zahlreiche festlich geputzte Reiterabteilungen, welche teils aus jungen Adeligen, teils aus Prager Bürgern bestanden.

Der erste Eindruck, den der junge, 23jährige Mann auf die harrende Menge machte, über die er nun die Herrschaft ausüben sollte, war ein gewinnender. Seine hohe, schlanke Gestalt und seine einnehmenden Gesichtszüge fanden nach dem gleichzeitigen Berichte des Kuttenberger Dechants allgemeinen Beifall.

An ihm fand die böse Zunge der Tadelsüchtigen nichts, was sie hätte rügen können. Dagegen blieb die Königin nicht verschont. Da sie sich im Deutschen nur ganz unbeholfen ausdrücken konnte, das Tschechische gar nicht verstand und ihr unmittelbares Gefolge meist aus englischen Frauen bestand, so war sie von den tschechischen Frauen, von denen kaum eine oder die andere französisch und keine englisch sprach, so gut wie abgeschnitten. Sie war waffenlos der Kritik ihres Geschlechts ausgesetzt. Es waren noch nicht vier Tage seit ihrer Ankunft in Prag vergangen, so hatte man bereits ausgekundschaftet, daß sie von keiner Ordnung etwas wissen wolle in ihrer Tageseinteilung, weder für die Mahlzeit noch für den Kirchenbesuch eine bestimmte Stunde einhalte. Vollends unverzeihlich erschien die Toilette der Königin und ihres Gefolges, wenigstens fühlte sich das Schamgefühl der Pragerinnen durch die entblößte Brust, mit der sich die Königin und ihr Hofstaat in der Öffentlichkeit zeigten, aufs äußerste verletzt.

Friedrichs V. Schicksal ward durch die Schlacht am Weißen Berge bei Prag am 8. November 1620 entschieden. Er hatte gerade noch Zeit, sich nach Holland zu retten. 36 Jahre alt, starb er bereits im Jahre 1632. In Sedan liegt er begraben.

Es dürfte vielen nicht bekannt sein, daß Luise Maria, die Tochter Friedrichs V. von der Pfalz, des kalvinistischen Winterkönigs, am 13. Jänner 1658 in Antwerpen katholisch wurde, am 25. März d. J. in das Zisterzienserinnen-Kloster in Moubuisson trat und von 1664 bis 1709 daselbst Äbtissin war. (Joh. B. Brenner: Geschichte des Klosters und Stiftes Waldsassen, S. 181 ff. - Anton Gindely: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, I. 2, S. 234 ff. - M. Heimbucher: Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, I. 3, S. 330 ff.)

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