Alt-Eger in seinen Gesetzen und Verordnungen
von Dr. Karl Siegl

Die Eheordnung vom Jahre 1588

Eger nahm im November 1564 die evangelische Lehre an. Von 1587 bis 1592 wirkte hier als Superintendent der gelehrte Magister und Theologiae Doktor Nikolaus Poland (Polantus, Bolandus). Von seiner Hand ist die folgende Eheordnung geschrieben:

"Alldieweil nechst warer religion und erkantnis gottis kein seliger ding auff erden ist, dann der ehrwürdig ehestandt, welchen gott selbsten im standt der unschuld eingesetzt und auch darnach bekrefftigt und von einer zeit zur andern als ob seiner heiligsten ordnung vetterlich gehalten, damit die menschliche gesellschaft ehrlich und herrlich ohne zerrüttung, unordnung und vihische vermischung erbauet und vortgesetzt werde, also seindt alle meschen, solchen standt bey vermeidung zeittlicher und ewiger straff in gebürlichen ehrn zu halten, christlich, rechtmessig und allerdings, wie es gott und alle christliche ordnung fordert, anzufahen schuldig.

Wie aber diessem allen: so giebt es doch die bald alltegliche erfahrung, daß nur von viellen große leichtfertigkeit, nicht ohne verletzung ihres gewissens, gebraucht und offtermals gantz unbedechtiglich hierinnen gehandelt wird.

Damitt nhun hinfhüro solchen übel und ergerniß desto mher begegnet und widerstanden, gottes gerechter zorn abgewendet, hergegen aber gottes lob und preis, zucht und erbarkeit in gemein, aller christlichen eheleut und menschen wollfart und ewiges heyl gefördert werde, so hat eine christliche herschafft ihres gewissens und amptshalber meniglich zu eittiger und gutter nachrichtung volgende erinnerung und warnungsartickel, zu gebürlicher zeitt in kirchen zu verlesen, verordnet. Solche artikel lautten von punct zu punct also:

I. Erstlich soll kein person mit zweyen zugleich und vor absterben des ersten ohne vorgehende rechtliche erkanntnus zu keiner zeitt ehelich versprechen und verheyraten.

II. Zum andern. Daß sich niemandt verheyrate zu einer solchen person, die ihme mitt freundschafft (= Verwandtschaft, Verwandte) oder schwagerschafft im ersten, andern oder dritten grad endsippt (sippen = verwandt sein mit einem), auch gleicher linien verwandt, oder sein pflegetochter ist.

III. Zum dritten. Daß die jungen (leute), so noch in ihrer eltern gewalt und andere, die unter dem vormunden sindt, ohne rath, vorwissen und bewilligung ihrer eltern oder vormunde und nechsten freunde kein ehegelöbnis eingehen und sich mit nichtten verheyrathen.

IV. Vors virtte. Daß sich niemand mit dem andern verlobe: im winckel oder heimlich, noch betrüglich am tantze oder sonst bey nacht oder tage, viell weniger aber untterm schein versprochener ehe, oder auch mitt bedingung konfftiger hoffentlicher ehe, beyschlaffe, sondern all wege auffs wenigste zwo ehrliche personen als zeugen darzugezogen und auffrecht ohne schwechung und schwangerung gehandelt werde.

V. Daß sich vors fünffte die wissentlich und rechtmessig vertraweten (=Verlobten) vor dem hochzeitlichen Kirchgang nicht fleischlich vermischen und heuslich beyeinander whonen.

VI. Zum sechsten. Daß die verlobten, eines das andere, wider seinen willen mitt dem kirchgang und hochzeitt nicht zulang aufhalte, sondern zu rechter zeitt hochzeitt machen und einander ehelich beywonen, damit sie vom teuffel nicht versucht und zur unzucht und ehebruch wider göttliche ordnung getrieben werden.

VII. Zum siebenden. Daß kein ehegemal vom andern brüchig werde, weder durch ehebruch noch hinweglauffen oder andere sonderung.

VIII. Vors achte. Wann ein ehegemahl vorm andern verstirbet, daß das hinderlassene am leben zum wenigsten ein virttel jhars wartte und vor einem virtel jhar seinen wittben stull nicht verrucke.

IX. Zum neundten. Daß eine wittib, so schwangern leibs ist, sich nicht wider verheyrathe, zuvor und ehe sie vom kindt und sechs wochen kommen ist. Soll auch unter virzehn tag oder drey wochen nach den sechs wochen nicht ausgeruffen werden.

X. Zum zehenden. Daß personen vor rechtmessigen eheverlöbnis oder handvestung sich nicht lassen ausruffen. Auch allweg, wenn man umb die proclamation und gemein gebet ansucht, neben dem breutigam, auch sein vatter und schweher (= Schwiegervater), oder wer an deren verstorbenen statt ist, umb mherers glaubens und wissenschafft willen bei dem Pfarrer sich angeben. Und soll kein breutigam oder brautt, die allein oder mitteinander gelaufen kommen, eingeschrieben und ausgerufen werden.

XI. Und weil man auch schlislichen vors eilffte zeitt und tag, welche gott selbst mitt seinen wunder und wollthatten gezeichnet hat, untterscheiden soll, also soll niemandt verstattet werden, die drey vorgehenden wochen vor dem hl. chriftag und dann die sechs wochen in der fasten vorm osterfest hochzeit zu halten, wan man, sonderlich zu itzt benambten gezeitten, von allen fleischlichen, wollüstigen freud und beschwerung feyern und gott allein in betrachtung höchstbezeigter wohlthatt in heiligkeitt und christlicher andacht ergeben sein soll.

Hierauf ist nun die christliche von gott geordente herschafft sowol als ewere vorgesetzte seelsorger des gentzlichen vertrawens, abgesetzte heylsame christliche erinnerung und warnung werde bey meniglich ihren unterthanen und pfarrkindern statt haben und ihren verhoffentlichen nutz und gehorsam iderzeitt bringen und zuföderst gott im hiemel wollgefallen, auch zu erbawlichen fortsetzung aller zucht und erbarkeit ersprissen. Im fall aber, so imandt, wer es auch sein mochte, sich wider diese nottwendige trewe verwarnung würde in einem oder mher stucken vergreiffen, des soll von den pfarhern, denen es hiemitt trewlich soll befholen sein, gebürlichen gehort und angezeigt werden, und es soll wider die verbrecher, ohn alles ansehen der personen, endtliche, scharffe, unnachlessige straff, je nachdem die verbrechung ist, andern zur abschew und zur rettung christlicher zucht vorgenomen und eingelegt werden. - Gott vom hiemel stewere allem übel und ergernuß und gebe uns ein demutig gehorsam hertz, sein gebot und willen zu vollbringen. Amen.

Diese eheordnung und warnungsartikel sollen in alle kirchen agenda oder ordnung, so bey einer jeden kirchen sein soll, geschrieben und jerlich den andern sonntag nach dem fest der hl. drey konig, do man sonsten von dem hl. ehestand pflegt zu predigen, nach gehaltener predigt vleissig verlesen werden."

Aus: Karl Siegl: "Alt-Eger in seinen Gestzen und Verordnungen", Augsburg 1927